Ein Viertel der globalen Treibhausgas-Emissionen entsteht im Verkehrssektor, und vor allem im Straßenverkehr ist die Klimapolitik bislang wenig erfolgreich. Und doch gibt es auch dort international einige Beispiele für deutliche Rückgänge der Emissionen bei stabiler Wirtschaftslage. Wie solche Erfolgsstories produziert wurden und was sich daraus an Empfehlungen und Chancen für künftige Politik ableitet, das beleuchtet jetzt eine neue Studie. Sie wurde erstellt unter Federführung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) in Kooperation mit der University of Oxford und der University of Victoria.
Die Studie beschreitet einen innovativen Weg bei der Evaluation von Politik. Die klassische Wirkungsanalyse ist darauf ausgerichtet, einzelne Maßnahmen isoliert auszuwerten – doch in der politischen Realität werden ja fast immer Bündel von Maßnahmen implementiert, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen. Um dem gerecht zu werden, hat das Forschungsteam einen neuen datengestützten Ansatz zur Identifikation wirksamer Politikmixe entwickelt: Es betrachtet die Emissionen des Straßenverkehrs von 1995 bis 2018 in 15 Ländern (EU vor den Ost-Erweiterungen, inklusive Großbritannien), gleicht sie mit Wirtschaftsleistung und Bevölkerung ab – und sucht mit Methoden des maschinellen Lernens nach „Emissionsbrüchen“, die nicht Folge der Wirtschaftslage sind. Diesen Emissionsbrüchen ordnet es dann einzelne oder mehrere zusammenwirkende klimapolitische Maßnahmen als ausschlaggebend zu.
Die anspruchsvolle Statistik-Methode identifiziert damit erfolgsversprechende Kombinationen aus der Vielzahl möglicher Politikinstrumente. „Wir haben in einem Zeitraum von 24 Jahren in 15 EU-Ländern nur zehn Beispiele für erfolgreiche Klimapolitik im Straßenverkehr gefunden“, berichtet Nicolas Koch, Leiter des Policy Evaluation Lab am MCC und Leitautor der Studie. „Alle zehn Fälle stehen in Verbindung mit mindestens einer Maßnahme, die die laufenden Kosten des Autofahrens erhöht hat – in der Regel über höhere Spritpreise durch CO₂-Bepreisung, manchmal auch über Energiesteuern oder Mautgebühren. Zudem setzte die Politik in fast allen Fällen Anreize, emissionsfreie oder -ärmere Fahrzeuge zu kaufen – entweder über am CO₂-Ausstoß ausgerichtete Kfz-Steuern oder über Zuschüsse.“
Die Höhe der zehn ermittelten Emissionsminderungen deutet auf ein erhebliches Potenzial bestimmter Politikmixe im Verkehr hin, auch wenn es mehr solcher Erfolgsstories braucht, um den CO₂-Austoß insgesamt deutlicher zu reduzieren. Am größten war die relative Minderung in Luxemburg, wo der Staat mit einer Kombination von höheren Spritpreisen und Bonus-Malus-Regelungen beim Fahrzeugkauf die Emissionen ab dem Jahr 2015 um 26 Prozent senken konnte. Es folgten Finnland (um 17 Prozent ab dem Jahr 2000), Irland (um 13 Prozent ab 2011) und Schweden (um 11 Prozent ab 2001); auch Dänemark und Portugal verzeichneten mit dieser Kombination Erfolge. In Deutschland hatten die Ökosteuerreform 1999 bis 2003 und die Lkw-Maut ab 2005 positive Klimawirkung.
Für die Zukunft empfiehlt das Forschungsteam eine steigende CO₂-Bepreisung im Straßenverkehr, flankiert durch ein ambitioniertes Bonus-Malus-System: moderate Zuschüsse für E-Autos und stark gespreizte Kfz-Steuersätze für Verbrennerfahrzeuge. „Im Prinzip ist die Hebelwirkung eines solchen Maßnahmenpakets stark genug, um auch in diesem Problembereich das von der EU proklamierte Ziel der Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts hinzubekommen“, bilanziert MCC-Forscher Koch. „Die Instrumente sind da – jetzt braucht es den politischen Willen, sie konsequent, flächendeckend und langfristig anzuwenden.“