Seit dem 15. August 2022 leitet der deutsche Arktisforscher Professor Ulf Karsten vom Institut für Biowissenschaften der Universität Rostock für zwei Wochen eine Expedition im Kongsfjorden an der Westküste von Spitzbergen. Begleitet wird er von der Master-Studentin Desirée Juchem aus dem Studiengang Meeresbiologie. Zusammen mit sieben Kolleginnen und Kollegen der Universitäten Köln und Berlin sowie dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) werden marine und terrestrische Organismen im Zeichen des Klimawandels untersucht.
Im Mittelpunkt der Freilandarbeiten stehen Forschungsfragen der marinen und terrestrischen Polarforschung. Das Hauptaugenmerk gilt den benthischen Kieselalgen und den Bodenkrusten. Erstere finden sich auf Sedimenten und Steinen im Flachwasser der Küstenbereiche sowie von arktischen Seen und Fließgewässern. Diese Mikroalgen sind von großer ökologischer Bedeutung, da sie sehr produktiv und anpassungsfähig sind und vielen aquatischen Tieren als eine attraktive Nahrungsquelle dienen.
Im Rahmen der Expedition wird die Biodiversität der benthischen Kieselalgen erstmalig mit modernsten Methoden erfasst. Zudem interessiert die Forschenden, inwieweit diese Algenzellen durch pilzliche Parasiten befallen sind. Denn es gibt bereits Hinweise, dass Parasitismus durch globale Erderwärmung auch in den Polargebieten gefördert wird. Die Konsequenzen für die Lebensgemeinschaften und deren ökologischen Funktionen sind bisher noch nicht bekannt.
Daneben werden auch biologische Bodenkrusten in der Tundra beprobt. Bei dieser Lebensgemeinschaft handelt es sich um einen Zusammenschluss aus Bakterien, Algen, Pilzen und Flechten, die hinsichtlich Biomasseproduktion, Stickstofffixierung und Bodenstabilisierung ökologisch extrem wichtige Funktionen in der Arktis ausüben und meist die Vegetation dominieren. Im Zentrum dieser Forschung steht der Einfluss von sich ändernder Temperatur und Wasserverfügbarkeit auf den Stoffwechsel dieser Lebensgemeinschaft.
Die Daten werden zeigen, ob und wie der Klimawandel die Struktur und Leistungsfähigkeit von aquatischen und terrestrischen Schlüsselorganismen der Arktis beeinflusst. Die Untersuchungen tragen darüber hinaus dazu bei, Prognosen über die zukünftige Bedeutung der ökologischen Funktionen der genannten Organismen zu machen.
Für die Arktisforscher steht fest, dass es keine Frage mehr ist, wann die Folgen des Klimawandels sichtbar werden. Längst wird untersucht, wie sich das Leben in der immer wärmer werdenden Arktis den veränderten klimatischen Bedingungen anpasst. So ist kaum ein anderes Forschungsgebiet besser dazu geeignet, die langfristigen globalen Folgen des Klimawandels aufzuzeigen und Impulse für das globale Handeln zu geben.
Die Expedition wird durch mehrere Projekte im DFG-Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung mit vergleichenden Untersuchungen in arktischen Eisgebieten“ unterstützt, welches das Ziel verfolgt, insbesondere die Polarforschung von Universitäten aus Deutschland zu fördern. So wird die polare Forschungsinfrastruktur und -logistik auf Spitzbergen durch die deutsch-französische AWIPEW Station zur Verfügung gestellt. Dies beinhaltet Unterkunft, Labore, Ausrüstung für Feldarbeiten, Boote und natürlich die obligatorischen Waffen, um sich im Notfall gegen Eisbären verteidigen zu können. Die Expeditionsteilnehmerinnen und -teilnehmer haben vor Beginn der Freilandarbeiten eine ausführliche Sicherheitsbelehrung und ein Waffentraining erhalten.