Wie kann eine Gesellschaft nachhaltiger werden?

Ulrike Zeigermann ist neue Juniorprofessorin für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung.

Mehr Klimaneutralität und Nachhaltigkeit – diese Forderung kann eigentlich jeder unterschrieben. Aber wie erreicht eine Gesellschaft dieses Ziel? Welche politischen Maßnahmen sind dafür nötig? Und welche Akteure sind hier besonders wichtig? Mit diesen Fragen befasst sich die Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie wurde dazu 2021 ein spezialisierter Master-Studiengang etabliert. Mit Ulrike Zeigermann wurde nun eine neue Juniorprofessur für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung besetzt, um das Forschungsfeld weiter auszubauen.

Nachhaltigkeitsforschung bedient sich an vielen Universitäten in erster Linie einer naturwissenschaftlichen Perspektive. Doch die politischen und sozialen Rahmenbedingungen sind bei nachhaltigen Transformationsprozessen ebenso von großer Bedeutung: „Ein zentraler Punkt unseres Fachbereichs ist es zu verstehen, wie und unter welchen Bedingungen Entscheidungen für mehr Nachhaltigkeit entstehen“, erklärt Zeigermann. „Denn nachhaltige Transformationsprozesse geschehen nicht automatisch.“ Bei der Implementierung neuer Konzepte komme es fast zwangsläufig zu Interessenkonflikten, daher seien trotz großer Herausforderungen kleine Schritte die Regel.

Von der Theorie in die Praxis

Wie politische Konzepte und wissenschaftliche Expertise in der gesellschaftlichen Praxis Einzug finden, damit hat sich Zeigermann bereits in ihrer Promotion beschäftigt. Von 2013 bis 2017 forschte sie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu entwicklungspolitischer Kohärenz. Der Titel: “Transnational Policy Entrepreneurs – Bureaucratic Influence and Knowledge Circulation in Global Cooperation”. Von 2017 bis 2022 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung an der Universität Magdeburg tätig. Hier hatte sie zwei Arbeitsschwerpunkte: Lokale Klimapolitik und Wissen in Nachhaltigkeits- und Transformationsprozessen.

Schwerpunkte in Würzburg

An der JMU möchte Ulrike Zeigermann ebenfalls zwei Schwerpunkte verfolgen: Der erste beschäftigt sich mit „transnationaler Nachhaltigkeitsgovernance“. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund des Klimawandels in Politik und Gesellschaft integriert werden kann. Von besonderem Interesse sind dabei die Interaktion und Beteiligung verschiedener Akteure im politischen Prozess – wie Parteien, Verbände, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Medien. „Dieses Feld enthält viele spannende Fragen, zum Beispiel: Braucht es für diese Themen neue demokratische Prozesse? Werden auch die Auswirkungen gesellschaftspolitischer Entscheidungen für künftige Generationen berücksichtigt? Oder welchen Beitrag leisten neue transnationale Netzwerke bei der Formulierung und Implementierung von Nachhaltigkeitspolitiken?“, so Zeigermann.

Der zweite Schwerpunkt knüpft an Zeigermanns Arbeit in Magdeburg an und lautet „Wissen in sozial-ökologischen Transformationen“. Trotz eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel genießen Reformvorhaben im Bereich Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energiewende meist nur geringe Priorität. Zeigermann: „Unser Ziel ist es, hier neue Formen der Wissenszirkulation empirisch zu untersuchen und theoretisch zu erklären.“

Innovativer Master-Studiengang

Der Würzburger Master-Studiengang Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung startet im Oktober 2022 seinen zweiten Jahrgang. Er kombiniert politikwissenschaftliche und soziologische Forschungsperspektiven und nimmt Bezug auf brandaktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Daher will Zeigermann vor allem mit aktuellen Beispielen aus der Praxis arbeiten: „Mir ist es wichtig, Theorie und Praxis möglichst eng zu verzahnen.“ Dies betreffe konkrete Nachhaltigkeitsprojekte, wie zum Beispiel den Lehr-Lern-Garten an der JMU oder auch politischen Aktivismus wie bei „Fridays For Future.

„Im Aktivismus haben auch viele Studierende bereits ihre eigenen Erfahrungen gesammelt“, so die Professorin. Protestformen, Strategien, Vergleiche und die Wechselwirkung mit der Politik seien hier besonders spannende Themen für aktuelle Forschungs- und Lehrangebote. „Und natürlich hoffe ich, dass die Studierenden meine Veranstaltungen auch spannend finden“, sagt Zeigermann.