Wie junge Menschen in Polen zu Geflüchteten stehen und wie das mit ihrem polnischen Selbstverständnis zusammenhängt, untersucht ein neuer ZOiS Report. Die meisten Befragten sind für die politische Unterstützung der Ukraine und für die Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten. Diese auch langfristig in Polen zu integrieren, ist dagegen eine weniger akzeptierte Option. In Fokusgruppen zeigten sich Sorgen über die sozialen Herausforderungen, die sich ergeben könnten.
Im März 2022 führte das ZOiS in Polen eine Online-Umfrage unter 2002 jungen Menschen im Alter von 16-34 Jahren durch. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Aufnahmebereitschaft für ukrainische Geflüchtete unter jungen Pol*innen. „Fast die Hälfte der Befragten gaben an, Polen sollte so viele Geflüchtete aufnehmen wie nötig“, berichten die Autoren Félix Krawatzek und Piotr Goldstein. (Abb. 1) Auch für die politische Unterstützung der Ukraine gibt es breite Zustimmung, besonders im Hinblick auf humanitäre Hilfe. Daneben befürworten knapp 15% die Entsendung polnischer Soldat*innen in die Ukraine.
In Bezug auf konkrete Angebote ergibt sich ein gemischtes Bild: Die größte Gruppe der Befragten kann sich nur eine zeitlich begrenzte Unterstützung ukrainischer Geflüchteter in Polen vorstellen und würde es vorziehen, wenn sie in ein anderes europäisches Land weiterreisen oder wieder in die Ukraine zurückkehren, wenn dies möglich ist.
Die Aufnahmebereitschaft gegenüber ukrainischen Geflüchteten steht in einem scharfen Kontrast zu der überwältigenden Zustimmung zu den Pushbacks von mehrheitlich muslimischen Geflüchteten, die an der Grenze zu Belarus gestrandet waren.
Diese versuchten und versuchen über Belarus, wohin das Lukaschenka-Regime sie 2021 gelockt hatte, nach Polen zu gelangen. (Abb. 2) Darüber hinaus gibt es nur wenig Unterstützung dafür, diesen Geflüchteten das Recht auf Asyl zu gewähren: Nur 9% der Befragten gaben an, dass jene Geflüchteten definitiv das Recht haben sollten, Asyl zu beantragen.
Der Report untersucht politische Einstellungen, Wahlentscheidungen und die politische Mobilisierung junger Menschen. Neben der Beteiligung durch Wahlen beteiligten sich junge Pol*innen an Protesten, besonders in Reaktion auf die von der PiS-Partei initiierte Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung, aber auch im Zusammenhang mit den Verstößen der Regierungspartei gegen Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit.
In der Umfrage ging es auch um die Meinungen junger Menschen zur polnischen Geschichte und zu Polens Platz in Europa, beides zentrale Aspekte für Vorstellungen von Identität.
Junge Polen drückten eine starke emotionale Verbundenheit mit Polen, mit ihrer Region und mit ihren Wohnorten aus. Eine Verbundenheit gibt es auch mit der Europäischen Union, Europa im Allgemeinen sowie mit Zentraleuropa, nicht jedoch mit Osteuropa, verstanden als eine Region, die auch die Ukraine und Belarus umfasst. (Abb. 3)
Die Umfrage wurde kombiniert mit Erkenntnissen aus Fokusgruppendiskussionen, die helfen, die in der Umfrage identifizierten Trends zu erklären: „Was die kombinierte Analyse der Fokusgruppendiskussionen und Umfragedaten zeigt, ist das Ausmaß, zu dem Angst und Unsicherheit die Generation junger Polen charakterisiert. Sie sehen sich gleichzeitig mit konkreten Herausforderungen und mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert, für die ihre Elterngeneration nur wenig Orientierungshilfe bieten kann“, schlussfolgern die Autoren des Reports.