Der Lehrstuhl für Fahrzeugleichtbau der Universität Siegen entwickelt zusammen mit Industriepartnern ein neuartiges Fertigungsverfahren für Autobauteile. Im Vergleich zur herkömmlichen Produktion reduziert das Hybridpressen den CO²-Ausstoß um bis zu 47 Prozent.
In modernen Autos werden zunehmend so genannte Hybridbauteile eingesetzt. Sie bestehen teilweise aus Metall und teilweise aus Kunststoff und reduzieren das Gewicht und den Materialverbrauch. Sowohl die Produktion als auch die Nutzung der Fahrzeuge schonen somit Rohstoffe und das Klima. Fahrzeugbauer der Universität Siegen haben bereits vor einigen Jahren ein neuartiges Fertigungsverfahren entwickelt, das die bisherigen drei Arbeitsschritte zu einem einzigen zusammenführt.
Die Umformung des Metalls (Schritt 1), die Formgebung des Kunststoffs (Schritt 2) sowie die Verbindung beider Komponenten durch einen chemischen Klebstoff (Schritt 3) erfolgen zeitgleich in einer Presse. Gemeinsam mit verschiedenen Industriepartnern möchten die Wissenschaftler dieses sogenannte „Hybridpressen“ in den kommenden drei Jahren nun weiterentwickeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das gerade gestartete Projekt mit 2,5 Millionen Euro, von denen 520.000 Euro an die Uni Siegen gehen.
„Durch das Zusammenführen mehrerer Fertigungsschritte verbraucht unser Verfahren deutlich weniger Energie, was angesichts steigender Energiepreise natürlich ein entscheidender Faktor ist. Damit einhergehend sinkt die CO²-Emission. Wir haben ausgerechnet, dass sie sich gegenüber dem herkömmlichen Verfahren um bis zu 47 Prozent verringert“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Xiangfan Fang vom Siegener Lehrstuhl für Fahrzeugleichtbau.
Sein Ziel ist es, das Hybridpressen in den kommenden Jahren so weit zu verbessern, dass es in der Serienproduktion eingesetzt werden kann. Dazu arbeiten er und sein Team mit verschiedenen Unternehmen zusammen: Darunter zwei Automobilzulieferer, ein Werkzeug- und ein Kunststoffhersteller sowie ein Chemie- und ein Stahlkonzern. Darüber hinaus sind die Autohersteller Audi und Ford als begleitende Partner an dem Projekt beteiligt.
Am Beispiel von zwei konkreten Autobauteilen soll das Verfahren zur Marktreife gebracht werden: Eine hybride B-Säule und ein Federbeinlager, das ebenfalls teils aus Metall und teils aus Kunststoff besteht, wollen die Projektpartner mit dem Hybrid-Pressverfahren fehlerfrei herstellen.
„Metall und Kunststoff haben sehr unterschiedliche Eigenschaften. Will man beide Materialien in einer einzigen Produktionslinie zu einem Bauteil verarbeiten, muss man deshalb besonders darauf achten, dass im Produkt keine Fehler entstehen und die Stabilität hoch bleibt“, erklärt Prof. Fang.
Um das zu garantieren, möchten er und sein Team das Hybridpressen im Rahmen des aktuellen Projektes noch verfeinern: Wurden das Stahlblech und der Kunststoff bisher simultan in einem gemeinsamen Werkzeug um- bzw. urgeformt und miteinander verbunden, so soll das „neue“ Pressverfahren nun zweistufig arbeiten, erklärt Prof. Fang: „Um eine höhere Produktqualität zu erzielen, führen wir die Metall-Umformung separat durch. Das fertig geformte Blechteil wird dann in Stufe zwei mit dem erwärmten Kunststoff zusammengebracht, der Kunststoff wird dabei gleichzeitig geformt und mit dem Blechteil verbunden.“ Der Clou: Beide Stufen erfolgen innerhalb eines einzigen Pressvorgangs. Die Energie für die Presse muss also nach wie vor nur einmal aufgewendet werden, Energieverbrauch und CO²-Ausstoß bleiben entsprechend gering.
Das Interesse an dem neuen Verfahren seitens der Industrie dürfte angesichts des rasanten Anstiegs der Energiekosten noch steigen. Zum Einsatz kommen kann es – wenn alles nach Plan läuft – in einigen Jahren: Das aktuelle Forschungsprojekt ist auf drei Jahre angelegt, wird es erfolgreich abgeschlossen, schließt sich die Vorentwicklung seitens der Automobilzulieferer an. „Wir hoffen, dass das Verfahren nach diesen Schritten freigegeben wird. Es wäre ein toller Erfolg, wenn eine Siegener Entwicklung künftig in der Serienproduktion von Autoteilen eingesetzt würde“, sagt Prof. Fang.