Schiffsabgase belasten die Meeresumwelt und die menschliche Gesundheit

Die Testfahrt mit dem IOW-Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“ am 14. September bereitet die Basis für Messungen von freigesetzten Schiffsabgasen über und im Meer IOW

Schiffsabgase, die über der viel befahrenen Ostsee entstehen, belasten die Meeresumwelt und die menschliche Gesundheit. Im Rahmen des „PlumeBaSe“*-Projekts untersuchen Forschende des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), der Universität Rostock und der Prager Karls-Universität, wie sich die freigesetzten Schadstoffe über und im Meer ausbreiten, wie sie sich in der Luft und im Wasser verändern und was sich daraus für eine verbesserte Abgasreinigung ableiten lässt. Auftakt des auf drei Jahre angelegten Forschungsvorhabens ist Mitte September eine Ausfahrt mit dem IOW-Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“.

Täglich lassen sich in Warnemünde die Ein- und Ausfahrten von Frachtern und Fähren, von kleinen Motorsegler und gewaltigen Kreuzfahrtschiffen beobachten. Was wichtig für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Rostock und letztlich für den gesamten Wirtschaftsraum Ostsee ist, ist sowohl für die Baltischen Meeresökosysteme als auch für die küstennahe Bevölkerung ein großes Problem.

Denn die Verbrennung von Schweröl oder Schiffsdieselölen durch die zum Teil enormen Schiffsmotoren setzten große Mengen schädlicher Substanzen frei. Neben gasförmigen Schadstoffen wie giftigen Stickoxiden (die obendrein klimaschädlich sind), werden auch flüssige oder feste Aerosole freigesetzt, die reich an Spurenmetallen und organischen Giftstoffen sind. Seit 2015 ist die Ostsee Kontrollzone für Schwefelemissionen und daher die Schwerölverbrennung ohne Rauchgasentschwefelung durch Nassabscheider – sogenannte Schwefel-Scrubber – erheblich einschränkt.

Erste Studien der Universität Rostock, des Helmholtz Zentrums München und des IOW zeigen jedoch, dass ein Verzicht auf Schweröl in der küstennahen Schifffahrt weniger effektiv für den Gesundheitsschutz der Menschen in den Küstengebieten ist als erwartet und die Scrubber die Emissionen von gesundheitsschädlichen Partikeln wie Feinstaub kaum reduzieren.

Ziel der Anfang September gestarteten Forschungskooperation „PlumeBaSe“*, die auf die bisherigen Studien aufbaut, ist daher eine hochdetaillierte Analyse der bei der Verbrennung fossiler Treibstoffe durch Schiffe in Form von Aerosolen freigesetzten Schadstoffe, sowohl in Bezug auf deren Zusammensetzung als auch und deren weiteren Weg in der marinen Umwelt.

„Wir gehen davon aus, dass Schiffsemissionen signifikant zur Verschmutzung des Oberflächenwassers beitragen und der Eintrag entlang der Hauptschiffahrtsrouten besonders hoch ist. Unser Verständnis, wie die festen oder flüssigen Schwebeteilchen im Schiffsabgas während des atmosphärischen Transports sowie in der Wassersäule ‚altern‘ – sprich: sich durch UV-Einstrahlung oder reaktive Sauerstoffspezies wie Ozon verändern – ist jedoch äußerst lückenhaft“, konstatiert Helena Osterholz, die „PlumeBaSe“-Koordinatorin auf Seiten des IOW.

„Um zu erforschen, inwieweit Schiffsabgase für Meereslebewesen schädlich sind, müssen aber grade auch die Transformationsprodukte untersucht werden“, fügt Ralf Zimmermann, Projektleiter auf Seiten der Universität Rostock, an und ergänzt: „Mit ‚PlumeBaSe‘ schlagen wir daher eine neuartige Brücke zwischen Atmosphären- und Meeresforschung, um eine hochaufgelöste Beprobung der Aerosole und ihrer Transformationsprodukte vom Schiffsschornstein bis in die Ostsee zu realisieren.“

Dies wird unter anderem durch den Einsatz eines schiffsbasierten, ferngesteuerten Zeppelins ermöglicht, der 2023 während der Hauptkampagne an verschiedenen Stellen über dem Wasser und im Höhenprofil Feldmessungen zur Ausbreitung der Aerosole direkt in der Schiffsabgasfahne ausführen kann. Entwickelt wurde dieses Verfahren, bei dem Proben genommen und gleichzeitig die Aerosolkonzentration und -größenverteilung sowie die meteorologischen Begleitdaten erfasst werden können, an der Prager Karls-Universität.

Während der Gerätetestfahrt wird erstmals das an der Universität Rostock entwickelte Einzelteilchen-Aerosolmassenspektrometer, das individuelle Feinstaubteilchen aus der Luft direkt analysieren kann, auf See erprobt. Julian Schade. Universität Rostock

Während der jetzt anstehenden Gerätetestfahrt im September 2022 wird erstmals das an der Universität Rostock entwickelte Einzelteilchen-Aerosolmassenspektrometer, das individuelle Feinstaubteilchen aus der Luft direkt analysieren kann, auf See erprobt. Unterstützt wird das Projekt außerdem der Universität der Bundeswehr München über das Projekt „LUKAS – Mobiles Warnsystem für Luftschadstoffe“, in dem Einzelteilchen-Aerosolmassenspektrometer gekoppelt eingesetzt (Prof. Thomas Adam) und über das landbasierte Messungen beigesteuert werden.

Die aktuelle 36-stündige Test-Expedition mit dem Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“, startet am 14. September von Rostock aus unter Leitung von IOW-Wissenschaftlerin Helena Osterholz. An Bord ist ein 10-köpfiges deutsch-tschechisches Team mit Forschenden aller am Projekt beteiligten Institutionen. Die Testfahrt soll die Basis für detaillierte, längere Aerosolmessungen auf offener See im nächsten Jahr bereiten, bei der auch Schadstoffmessungen in der Wassersäule durchgeführt werden sollen. „Die Ostsee ist mit ihrer hohen Schiffsverkehrsdichte, guten Zugänglichkeit und klaren Regelungen in Bezug auf Schiffsemissionen ein ideales Untersuchungsgebiet. Wenn nun auch alle Messsysteme nach Plan funktionieren, rechnen wir damit, dass sich unsere Erkenntnisse auch als Modell zur Abschätzung des Einflusses von Schiffsverkehr auf küstennahe Ozeane weltweit eignen“, so die beiden Projektleiter abschließend.

*) kurz für: Tracing of ship plumes and impact to seawater / Charakterisierung von Schiffsemissionen und ihr Eintrag ins Meer; Projekt-Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG und die Tschechische Forschungsstiftung (Czech Science Foundation, GACR)