Warum fallen Flusssysteme trocken?

Blick in das ausgetrocknete Flussbett am Oberlauf des Baches Leutra am 06.09.2022 in Jena. Die Leutra mündet in Jena in die Saale. Foto: Jens Meyer/Universität Jena

Wasser ist Leben, diese simple Weisheit wird schon im Kindergarten vermittelt. Was aber geschieht, wenn das Wasser versiegt? Im Hitzesommer 2022 schafften es sinkende Pegel, eingestellte Fähren und ein zunehmend gestörter Warentransport über Schifffahrtswege immer häufiger in die Nachrichten. Eine Situation, die kaum noch Ausnahme, sondern eher Regel geworden ist, wie Dr. Annika Künne von der Friedrich-Schiller-Universität Jena konstatiert.

Die Hydrologin arbeitet im internationalen Forschungsprojekt DRYvER mit, bei dem 25 Partner aus elf Ländern kooperieren. DRYvER wird durch das Horizon 2020-Programm der Europäischen Union gefördert. Neben europäischen Partnern gehören Forschungseinrichtungen in Südamerika, China und den USA dazu. Geleitet wird das Projekt vom Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (INRAE) in Frankreich. Erforscht wird, wie sich die durch den Klimawandel und die menschliche Wassernutzung beförderte Austrocknung von Flusssystemen auf die biologische Vielfalt, die funktionale Integrität und die Ökosystemdienstleistungen auswirkt.

Ziel sind möglichst detaillierte Modelle der Flusssysteme

„Die ober- und unterirdischen Flussnetze erbringen wichtige Ökosystemdienstleistungen, beispielsweise für die Trinkwassergewinnung, den Anbau von Nahrungsmitteln und in Form der Klimaregulierung“, sagt Annika Künne. Hinzu komme, dass diese Ökosysteme eine riesige biologische Vielfalt beherbergen, deren Verlust kaum wiedergutzumachende Schäden verursachen würde. Gleichzeitig sind diese Wassersysteme sehr fragil und durch menschliche Aktivitäten bedroht.

Dr. Künnes Aufgabe in dem Verbundprojekt ist es, Flusssysteme detailgenau zu modellieren. Sechs Pilotgebiete stehen dabei im Fokus. Es sind die Flusssysteme von Guadiaro in Spanien, Krka in Kroatien, Morava in Tschechien, Ain in Frankreich, Fekete in Ungarn und Vantaanjoki in Finnland. Wie Annika Künne erläutert, sind diese Gebiete bis zu 10.000 Quadratkilometer groß. Die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten können dann auf andere Flusssysteme übertragen werden. Prinzipiell, so sagt die Hydrologin, werden drei Zustände im Flussbett modelliert: Das Wasser fließt, es gibt Pfützen oder Pools und drittens, der Flusslauf ist trocken. Die Ursachen für trockenfallende Flüsse können jedoch sehr unterschiedlich sein.

Neue App für jedermann liefert der Forschung wertvolle Daten

„Meistens führt das Zusammenspiel verschiedener Faktoren dazu, dass ein Fluss trockenfällt“, sagt Annika Künne. Dazu gehören die Niederschlagsmenge, die Bodenbeschaffenheit und die Vegetation, die Geologie des Untergrundes, die herrschenden Temperaturen und natürlich die Wasserentnahme, etwa für Beregnungsanlagen der Landwirtschaft. In den Untersuchungsgebieten erfassen zudem Biologenteams regelmäßig den Bestand an Fischen, Kleinlebewesen, Mikroben und organischem Material, sozusagen den Stoffwechsel und den Gesundheitszustand des Flusses. Darüber hinaus wurde eine App entwickelt, mit der jedermann wertvolle Daten beisteuern kann. Per „DryRivers“-App werden Bilder und Standortdaten von trockengefallenen Flüssen übermittelt, wichtige Informationen, mit denen die vorhandenen Daten ergänzt werden. Andere Datenquellen sind beispielsweise lokale Umweltämter, die Pegelstände oder Durchflussmengen veröffentlichen.

Die Zahl trockenfallender Flusssysteme hat signifikant zugenommen

„Hinter dem Projekt steht letztlich das Ziel, konkret eingreifen zu können, bevor es zu spät ist“, sagt Annika Künne. Die in Jena entwickelten Modelle helfen den Forscherinnen und Forschern, die komplizierten Wege des Wassers immer besser zu verstehen und Lösungsansätze zu finden, die Zahl austrocknender Flüsse zu verringern und sich an zukünftige Veränderungen anzupassen. Zwei Jahre läuft das Projekt noch, dessen Jenaer Part am Institut für Geographie, dem Lehrstuhl für Geoinformatik bei Prof. Dr. Alexander Brenning angesiedelt ist.