Vegetation und Böden nehmen als wichtigste Kohlenstoffspeicher an Land momentan knapp ein Drittel der Kohlendioxidemissionen auf, die von Menschen verursacht werden. Daher spielt die Landnutzung für die globale Bilanz des menschengemachten CO2-Ausstoßes eine sehr große Rolle. Doch Wälder und Strauchlandschaften sind längst nicht so verlässlich wie bisher angenommen: Ihre Funktion als Kohlenstoffsenke unterliegt großen jährlichen Schwankungen und sie reagieren sensibel auf verschiedene Umwelteinflüsse. Dies legen Ergebnisse eines neuen Modellierungsansatzes nahe, den ein Team um die LMU-Geographin Prof. Julia Pongratz entwickelt hat.
„Wir integrieren Erdbeobachtungsdaten in ein Modell zur Simulation von CO2-Flüssen aus der Landnutzung. Dabei stellten uns Kollegen von der NASA neue globale Vegetationsdaten aus den letzten zwanzig Jahren zur Verfügung“, erklärt Selma Bultan, LMU-Forscherin und Hauptautorin der Studie.
Einflüsse von Mensch und Umwelt auf den Kohlenstoffkreislauf unterscheiden
Das innovative Modell ermöglicht es, direkte Auswirkungen der menschlichen Landnutzung (Rodung und Wiederaufforstung) auf globale CO2-Flüsse von denen natürlicher Umweltfaktoren (Waldbrände, Extremwetterereignisse oder die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre) zu unterscheiden.
„Diese Differenzierung ist wichtig, weil die Isolierung der anthropogenen Effekte den wahren Fortschritt bei Klimaschutzmaßnahmen zeigt. Die Umwelteffekte verdeutlichen hingegen, wie verlässlich die Biosphäre an Land CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt und speichert“, sagt Pongratz, Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU. „Unser neues Modell kann helfen, den Erfolg von Klimaschutzmaßnahmen zu kontrollieren – vor allem die Umsetzung der internationalen Abkommen zur Reduktion von CO2-Emissionen durch Landnutzungswandel wie etwa die Rodung von Wäldern. Dies ermöglicht eine objektive Bewertung, inwiefern Länder ihre Klimaziele erreichen.“
In der Studie geht es auch um die Frage, wie sich der Klimawandel auf die Fähigkeit der Vegetation auswirkt, Kohlenstoff zu speichern. „Unsere Ergebnisse zeigen: Der CO2-Speicher in Wäldern und Strauchlandschaften weist stärkere jährliche Schwankungen auf und reagiert sensibler auf Extremereignisse wie Dürren als bisher angenommen“, so Bultan weiter. „Dank dieser Erkenntnisse können wir besser einschätzen, welchen Beitrag die Landnutzung zum Klimaschutz leisten kann.“
Beide LMU-Wissenschaftlerinnen tragen auch zum Global Carbon Project (GCP) bei. Der weltweite Zusammenschluss von Forschenden beschäftigt sich mit der Entwicklung der globalen CO2-Emissionen und veröffentlicht jährlich einen Bericht dazu. Er zeigt: Die Landnutzung verursacht momentan etwa neun Prozent aller anthropogenen Emissionen. Wie der Mensch mit Ökosystemen an Land umgeht, spielt daher auch im Hinblick auf die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens eine entscheidende Rolle.