Ein internationales Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung, der Universität zu Köln und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, haben entschlüsselt wie Weizen sich vor einem tödlichen Krankheitserreger schützt. Ihre Erkenntnisse, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden, können zu einem wertvollen Instrument werden, um Nutzpflanzen widerstandsfähiger gegen Krankheiten zu machen.
Weizen ist eine der wichtigsten Grundlagen für die weltweite Ernährungssicherheit
Weizen stellt für 40 % der Weltbevölkerung ein Grundnahrungsmittel dar. Vor diesem Hintergrund werden die Widerstandsfähigkeit von Kulturpflanzen in einem sich verändernden Klima und die Resistenz gegen Infektionskrankheiten die entscheidenden Faktoren für die zukünftige Ernährungssicherheit auf unserem Planeten sein. Weizen ist anfällig für einen der wirtschaftlich bedenklichsten Krankheitserreger, der Getreideschwarzrost. Dies ist ein tückischer Pilz, der verheerende Auswirkungen auf die Ernteerträge haben kann.
Der Getreideschwarzrost plagte den Weizenanbau schon seit Jahrtausenden
In den letzten 50 Jahren des 20. Jahrhunderts gelang es Züchtern und Pflanzenpathologen mit ihrer Arbeit jedoch, dynamische Epidemien in den global wichtigsten Weizenanbauregionen zu verhindern. Leider wurden diese positiven Aussichten 1998 durch das Auftreten einer neuen, hochvirulenten Variante des Getreideschwarzrosts in Uganda erschüttert. Die neue Variante des Getreideschwarzrosts, die Ug99 genannt wird, kann bis zu 80 % der bekannten Weizensorten befallen. Dadurch können vollständige Ernteverluste auf infizierten Feldern entstehen.
Auf der Suche nach Resistenzen gegen neue Krankheitserreger durchforsten Pflanzenwissenschaftler und -züchter häufig das Erbgut von Wildsorten unserer Grundnahrungsmittel nach Genen, die eine wirksame Immunität verleihen. Das Auftreten von Ug99 verlieh solchen Bemühungen besondere Dringlichkeit und führte zur Identifizierung des Gens Sr35. Es schützt den Weizen-Urahnen Einkorn vor Ug99.
Jetzt haben Forschende unter der Leitung von Jijie Chai und Paul Schulze-Lefert von der Universität Köln und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln sowie Yuhang Chen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften die räumliche Struktur des Weizenproteins Sr35 entschlüsselt. Dadurch gelang es ihnen zu erklären, wie das Gen Sr35 dem Einkorn die Resistenz gegen Ug99 verleiht.
Sr35 gehört zu den nucleotide-binding leucine-rich repeat receptors (NLRs) in Pflanzenzellen, die die Anwesenheit von Krankheitserregern aufdecken. Die Immunantwort in der Pflanze wird ausgelöst indem NLRs sogenannte Pathogen -„Effektoren“ erkennen. Effektoren sind kleine Proteine, die von eindringenden Mikroorganismen in die Zellen eingebracht werden, um die Pflanze zu schwächen. Typischerweise erkennt jeder NLR nur einen bestimmten Effektor.
Wird der Sr35-Rezeptor aktiviert, lagern sich fünf Rezeptoren aneinander. Sie bilden einen großen Proteinkomplex, den die Forscher das „Sr35-Resistosom“ nennen. Solche Resistosome haben die Fähigkeit als Kanal in der Pflanzenzellmembran zu fungieren, wodurch die Aktivierung starker Immunreaktionen in Gang gesetzt wird. Letztendlich führt dies zum Absterben von Pflanzenzellen am Ort der Infektion – eine Art lokale Selbstaufopferung zum Schutz der restlichen Pflanze. In dieser Studie konnten Forschende zum ersten Mal eine Resistosom-Struktur einer Nutzpflanze entschlüsseln und diese Immunprozesse beschreiben.
Die Forschenden synthetisierten sowohl das Protein Sr35 als auch den entsprechenden Ug99-Effektor in Insektenzellen, eine Strategie, die es ihnen ermöglichte, große Mengen von Sr35-Resistosomen zu isolieren und aufzureinigen. Mit Hilfe der kryogenen Elektronenmikroskopie, einer Technik, bei der die Proben blitzschnell auf extreme Temperaturen abgekühlt werden, lässt sich die räumliche Struktur von riesigen Biomolekülen wie dem Resistosom mit atomarer Auflösung entschlüsseln. Alexander Förderer, der die Studie initiierte und anleitete, erklärt: „In der räumlichen Struktur des Sr35-Resistosoms konnten wir die Teile des Proteins identifizieren, die für die Erkennung des Ug99-Effektors wichtig sind. Mit diesen Erkenntnissen konnten wir neue NLRs entwickeln. Ich hoffe eines Tages können solche neuen NLRs Anwendung auf dem Feld finden um Eliteweizensorten gegen Ug99 zu schützen. Unsere Forschung könnte so einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit auf dem Planeten leisten.“
Ausgestattet mit ihrem Wissen über die Struktur des Sr35-Resistosoms widmeten sich Alexander Förderer und seine Co-Autoren Ertong Li und Aaron W. Lawson der Aufgabe, Rezeptoren anfälliger Sorten von Gerste und Weizen umzufunktionieren, und zwar so, dass diese den Ug99-Effektor erkennen. Sie selektierten zwei NLR Proteine, die Sr35 zwar ähnelten, aber Ug99 nicht erkannten. Als sie die Elemente von Sr35 einfügten, von denen nun bekannt war, dass sie mit dem Ug99-Effektor interagieren, konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen diese Proteine in wertvolle Rezeptoren für den Ug99-Effektor umwandeln.
Paul Schulze-Lefert erläutert: „Diese Studie zeigt auch, wie die Natur ein gemeinsames Konstruktionsprinzip verwendet hat, um Immunrezeptoren zu entwickeln. Zugleich evolvierten solche Rezeptoren auf eine Weise, dass sie die Flexibilität beibehalten haben neue Rezeptor-Varianten zu generieren, welche gegen andere mikrobielle Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder Nematoden immun machen.“ Jijie Chai weist darauf hin, dass die in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse „die Möglichkeit eröffnet, die Resistenz von Nutzpflanzen zu verbessern, indem pflanzliche Resistenzproteine entwickelt werden, die eine Reihe verschiedener Pathogen-Effektoren erkennen“.