Für ihr Engagement für Geflüchtete aus der Ukraine und ihre hervorragenden Studienleistungen wird in diesem Jahr die Jenaer Studentin Andriiana Raikova mit dem Preis für hervorragende Leistungen internationaler Studierender an deutschen Hochschulen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) gewürdigt. Die mit 1.000 Euro dotierte Auszeichnung wird der Ukrainerin im Rahmen der Feierlichen Immatrikulation der Universität Jena am 28. Oktober 2022 überreicht.
Seit Oktober 2020 lebt Andriiana Raikova in Jena. Geboren wurde sie 1998 in einer kleinen Stadt am Asowschen Meer und besuchte dort auch die Schule, bevor sie in Polen Angewandte Linguistik studierte. „Ich mochte Sprachen schon immer“, sagt Raikova, deren Familie bulgarische Wurzeln hat. In ihrer Heimat sprechen die meisten Menschen sowohl Ukrainisch als auch Russisch. In ihrem Studium lernte sie dann neben Englisch auch noch Deutsch.
Nach ihrem Bachelorabschluss arbeitete Raikova zunächst ein Jahr lang in der IT-Branche, bevor sie sich entschied, ihren Master in Deutschland zu machen – „weil ich Sprache unterrichten wollte und man in Deutschland tatsächlich Deutsch als Fremdsprache, kurz: DaF, studieren kann.“ Dass die Wahl auf Jena fiel, liegt an der praxisorientierten Ausrichtung des Studiengangs Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache. „Wir haben hier zum Beispiel die unterrichtspraktischen Übungen und das Praxismodul. Das ist nicht überall so und dafür ist Jena im DaF-Bereich auch sehr bekannt.“
Studierende unterrichten ehrenamtlich Geflüchtete
Neben ihren überdurchschnittlichen Studienleistungen ist es vor allem Raikovas vorbildliches Engagement, das die Auswahlkommission für den DAAD-Preis an der Universität Jena überzeugt hat. Als im Februar 2022 Russland die Ukraine angriff, stand für sie außer Frage, sich für ihr Heimatland und die geflüchteten Landsleute einzusetzen. Gemeinsam mit anderen Studierenden aus ihrem Fachbereich organisiert sie kostenlose Sprachkurse. „Meine Dozentin Dr. Spaniel-Weise hat mich damals gefragt, was die Universität in dieser Situation tun kann. Und auch wir als Institut wollten helfen.“ So entstand die Idee, einen Deutschkurs anzubieten, in dem ukrainische und russische Studierende zusammen Deutsch unterrichten. Raikova nutzte ihre Kontakte, um Mitwirkende zu finden. Schließlich meldeten sich etwa 20 Freiwillige aus verschiedenen Ländern, die Kurse geben wollten.
„Viele hatten keine Unterrichtserfahrung, so dass wir zuerst ein paar Treffen organisiert haben, um alles zu besprechen“, erinnert sich die 23-Jährige. Bereits Anfang April konnten die ersten drei Kurse starten – wenig später kam ein vierter hinzu, da die Nachfrage viel größer war als gedacht und sich weitere Studierende ehrenamtlich engagieren wollten. Ein Kurs ist auf zehn Wochen ausgelegt. Die Teilnehmenden können so die Zeit überbrücken, bis sie einen Platz im Integrationskurs bekommen. Im Juli begann der zweite Zyklus mit drei Kursen.
Dass die große Nachfrage gedeckt werden konnte, ist den vielen Menschen zu verdanken, die das Projekt unterstützen. „Als ich am Ende des ersten Zyklus eine Dankeschön-Mail geschrieben habe, wurde mir klar, wie viele Personen dazu beigetragen haben, das zu ermöglichen“, sagt Raikova. „Vor allem bin ich meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen dankbar, dass sie ihre Zeit und Mühe in die Kurse investiert haben. Aber auch die großartige Unterstützung, die wir von unserem Institut, dem Fachschaftsrat und dem JenDaF e. V. bekommen haben, war unglaublich wichtig.“
Mentorin für andere internationale Studierende
Seit ihrer Jugend setzt Andriiana Raikova sich für die internationale und interkulturelle Zusammenarbeit ein. Neben der Hilfe für die ukrainischen Geflüchteten engagiert sie sich auch generell für internationale Studierende in Jena. Sie ist ehrenamtliche Anfangs- und Fachmentorin des Internationalen Büros der Universität Jena und Tutorin für ausländische Studierende am Institut für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache und Interkulturelle Studien.
„Als ich damals in Jena angekommen bin, hatte ich auch eine Mentorin. Ich denke, es ist wichtig, dass man am Anfang jemanden hat, der am Bahnhof steht und einen willkommen heißt, die Stadt zeigt und erklärt, wie alles läuft.“ Diese Hilfsbereitschaft, sagt Raikova, hat sie von ihren Eltern vorgelebt bekommen. „Mein Vater sagt immer, wenn man jemandem geholfen hat, war der Tag nicht umsonst.“
Einen Teil des Preisgeldes möchte sie deshalb nutzen, um ihre Eltern nach Deutschland einzuladen. Aufgrund des Krieges ist das derzeit nicht möglich, das Geld möchte Raikova daher aufsparen, bis ihre Familie sie besuchen kann. Im kommenden Wintersemester schreibt die Ukrainerin ihre Masterarbeit. Nach ihrem Abschluss wollte sie eigentlich noch einmal ins Ausland. „Aber ich denke, in der aktuellen Situation werde ich hier mehr gebraucht.“ Deshalb möchte sie in Deutschland bleiben und selbst Integrationskurse unterrichten. Und zwar gerne hier: „In Jena fühle ich mich zu Hause.“