Etwa ein Drittel der jährlich geförderten Braunkohle in Deutschland stammt aus dem Lausitzer Revier. Kann sich die Lausitz im Zuge des Kohleausstiegs zur Energiewende-Vorzeigeregion wandeln? Und wie wirkt sich diese 180-Grad-Wende auf die regionale Wirtschaft aus? Eine Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) im Projekt „Dekarbonisierung in der Lausitz (DecarbLau)“ zeigt: Die Energiewende kann der Lausitz zahlreiche Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bescheren. Allerdings müssen Kommunen, Bürger und regionale Betriebe stärker beim Ausbau erneuerbarer Energien einbezogen werden, damit sie etwa an den Gewinnen des Anlagenbetriebs teilhaben.
„Das Projekt hat einen thematischen Bogen gespannt“, sagt der Koordinator Professor Stefan Zundel, Leiter des Fachgebiets Allgemeine VWL mit dem Schwerpunkt Energie- und Umweltökonomik an der BTU. „Neben den sozialen Folgen möglicher Ausstiegspfade und der Erkundung endogener Entwicklungspotenziale innerhalb und außerhalb der Energiewirtschaft untersuchten wir gemeinsam mit dem IÖW unterschiedliche Governance-Ansätze in Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, und formulierten Empfehlungen zur Innovationsförderung und zur Ausstattung von Kommunen im Gefolge des demografischen Wandels.“
Was kommt für die Lausitz nach dem Kohle-Aus?
Spätestens 2038 ist Schluss mit der Kohleförderung. Wie sich die Wirtschaft der Lausitz durch die Energiewende weiterentwickeln kann, berechneten die Forschenden in zwei Szenarien für das Jahr 2040. Sie untersuchten fünf ausgewählte Bereiche: Wind- und Solarenergie, Wärmepumpen, Biogas und energetische Gebäudesanierungen. Allein durch diese Technologien prognostiziert die Studie für das Jahr 2040 rund 200 Millionen Euro an Wertschöpfung, die als Steuern, Einkommen oder Gewinne in der Region verbleiben. Im ambitionierten Szenario sind es sogar 450 Millionen Euro.
„Wenn die Erneuerbaren und die energetische Effizienz gezielt ausgebaut werden, kann die Region wirtschaftlich stark profitieren“, erklärt Professor Bernd Hirschl vom IÖW und der BTU. „Insbesondere im sächsischen Teil sowie auf den Tagebauflächen sind noch große Potenziale für Wind- und in höherem Maße für Solarenergieanlagen vorhanden. Die somit erzeugbaren Strommengen decken nicht nur die Bedarfe der privaten Haushalte und der Wirtschaft vor Ort, sondern ermöglichen auch neue Wasserstoffanwendungen und Energieexporte: So könnte die Region den Strukturwandel erfolgreich meistern.“
Statt Kohle: Arbeitsplätze schaffen mit Solar, Wind und Sanierungen
Während die Potenziale bei der Bioenergie schon heute fast ausgeschöpft sind, wird die Solarkraft der größte regionale Energiewendetreiber in der Lausitz sein: „Die Leistung der Photovoltaikanlagen kann bis zum Jahr 2040 um den Faktor acht gesteigert werden“, betont Annika Bode, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Management regionaler Energieversorgungsstrukturen der BTU. „Neben klassischen Anlagen auf Dächern, Fassaden und Freiflächen kommen dabei auch innovative, flächenschonende Nutzungen zum Tragen – vor allem Agri-Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen.“
Bei der Windenergie muss vor allem der sächsische Teil der Lausitz aufholen: In der Oberlausitz und Niederschlesien wurden bisher nur etwa 0,2 Prozent der regionalen Fläche genutzt – im brandenburgischen Teil hingegen bereits über 1,8 Prozent. Ehemalige Tagebauflächen sollten für Windkraftanlagen nutzbar gemacht werden, empfiehlt die Studie. So lässt sich ein Zuwachs um 70 Prozent im Vergleich zur aktuell verbauten Leistung erreichen.
Um die Kohle auch in der Wärmeversorgung zu ersetzen, sind enorme Anstrengungen möglich. Durch energetische Sanierungen könnten 50-60 Prozent der Heizenergie eingespart werden. Somit würde auch der großflächige Einbau von klimafreundlichen Wärmepumpen ermöglicht.
Finanzielle Teilhabe für Bürger und Kommunen
Ein ambitionierter Ausbau der Erneuerbaren ist laut der Studie nur dann möglich, wenn der Bund entsprechende Fördermittel bereitstellt. Und: Wenn die Akzeptanz der Anwohner*innen durch finanzielle Teilhabe gestärkt wird. Die Solaranlage auf dem Dach ist wohl die bekannteste Möglichkeit für Bürger*innen, sich selbst finanziell an der Energiewende zu beteiligen: „Besonders angesichts hoher Strompreise profitieren Haushalte, wenn sie PV-Strom selbst produzieren oder vergünstigen Mieterstrom vom Dach des Mietshauses beziehen“, sagt Steven Salecki, Energieökonom am IÖW. „Auch die Beteiligung von Kommunen und Bürgern an Energiegenossenschaften und -gemeinschaften stärkt die Region – wirtschaftlich und ökologisch. Die Lausitz könnte sich so stärker mit der Energiewende identifizieren.“
Damit sich die finanzielle Teilhabe durchsetzt, müssen Bund, Länder und die Region selbst die Rahmenbedingungen verbessern. Die Forschenden schlagen Informations- und Beratungsangebote vor, eine Förderung von Bürgerenergie und Regionalstrom sowie mehr finanziellen Spielraum für Investitionen der Kommunen. „Die stärkere Beteiligung der Standortkommunen ist ein wichtiger Hebel. Ihre Möglichkeiten für finanzielle Beteiligungen an Erneuerbare-Energie-Anlagen und ihre planerische Beteiligung müssen dringend gefördert werden“, so Bernd Hirschl. „Außerdem müssen in allen Bereichen verstärkt regionale Betriebe eingebunden werden. Dafür braucht die Lausitz eine Fachkräfteoffensive.“