Einflüsse des Klimawandels und unserer Umwelt auf die Gesundheit und das Gesundheitswesen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dies gilt auch für Nierenerkrankungen bzw. die Nephrologie. Es gibt verschiedene Faktoren, die ganz direkt eine Wirkung auf die Nierenfunktion haben können, dazu zählen beispielsweise Hitzewellen oder Luftschadstoffe. Umgekehrt hinterlässt die Nephrologie und speziell die Dialyseverfahren einen deutlichen CO2-Fußabdruck und trägt somit zum Klimawandel bei – die Nephrologie arbeitet an Lösungen.
Die Häufigkeit länger anhaltender, extremer Wetterbedingungen nimmt durch den Klimawandel welt-weit zu; beispielsweise Hitzeperioden wie sie der Rekordsommer 2022 mit sich brachte. Höhere Umgebung- und Körpertemperaturen erhöhen den Flüssigkeitsverbrauch und -bedarf des Organismus merklich (Durst) – aber oft auch unbemerkt. Sobald dem Körper Flüssigkeit fehlt (Dehydratation), beginnen die Nieren einerseits Wasser einzusparen (die Urinproduktion nimmt ab), andererseits geht ein Flüssigkeitsmangel im Gefäßsystem mit einer renalen Minderperfusion einher. Im Extremfall kommt es durch die Mangeldurchblutung der Nieren zu einem sogenannten prärenalen akuten Nierenversagen.
Nephrologische Aspekte des Klimawandels
Studien zeigten, dass Hitzewellen u. a. mit dem vermehrten Auftreten von akutem Nierenversagen (ANV) assoziiert sind. Im Rahmen eines Hitzschlages (d. h. Auftreten von Fieber >40,6°C, Bewusstseinsstörungen, ggf. Krampfanfälle) hatten in einer Studie aus Chicago 50% der Betroffenen ein ANV [3]. In einer anderen Untersuchung war in 10-30% der Hitzschlag-assoziierten ANV-Fälle eine Dialyse notwendig .
Für hitzeassoziierte Erkrankungen sind ältere und vor allem hochbetagte Menschen anfällig, zum einen, weil das Durstgefühl bekanntermaßen im Alter abnimmt und daher ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf nicht oder erst sehr spät bemerkt wird; zum anderen, weil die Nierenfunktion (und somit deren „Funktionsreserve“) im Alter vermindert ist. Insbesondere bei vorliegenden Risiken (Alter, vorbestehenden Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus) sollte eine Dehydratation also unbedingt vermieden werden; gegebenenfalls durch Protokollierung der täglichen Trinkmenge, die in einem Sommer wie dem letzten bei mindestens 2-2,5 Litern täglich liegen sollte, was individuell oder bei körperlicher Anstrengung/Sport auch höher liegen kann.
Auch wenn sich die Nieren von einem ANV wieder erholt haben, bleibt lebenslang ein erhöhtes Risiko für chronische Nierenerkrankungen (CKD) bestehen. Bemerkenswerterweise konnte auch gezeigt wer-den, dass nicht nur das ANV, sondern auch chronische Nierenkrankheiten, teilweise unbekannter Herkunft, mit vermehrt auftretenden Hitzeperioden assoziiert sind („Hitzestress-Nephropathie“ [5]), möglicherweise durch wiederholte leichte (oder sogar unbemerkte) ANV-Ereignisse. Neben der weltweiten Zunahme der CKD [6] werden in Ländern wie Deutschland mit überalternden Bevölkerungsstrukturen häufigere oder länger anhaltende Hitzeperioden die Nierengesundheit und somit auch insgesamt die Mortalität ungünstig beeinflussen.
Dauerhaft höhere Umgebungstemperaturen und/oder fehlende längere Frostperioden führen auch dazu, dass in den gemäßigten Klimazonen „neue“, bislang nur aus den (Sub-)Tropen bekannte Infektionskrankheiten auftreten können, da die entsprechenden Erreger bzw. deren Reservoire (z. B. Mücken) nun geeignete Existenzbedingungen erhalten. Auch solche Erreger können die Nieren schädigen (z. B. Hantaviren oder Tuberkulose.
Zu den globalen Ursachen des Klimawandels gehört auch die Feinstaubbelastung der Luft. Eine erhöhte Feinstaubexposition hat jedoch auch direkte Auswirkungen auf verschiedene Organe; so ist sie mit der Progression einer CKD sowie mit dem vermehrtem Auftreten bestimmter Nierenerkrankungen assoziiert (z. B. IgA-Nephropathie und membranöse Nephropathie . Auch die Nierentransplantatfunktion kann durch Feinstaub beeinträchtigt werden. Feinstaub ist auch mit kardiovaskulären Krankheiten assoziiert, die wiederum Nierenkrankheiten begünstigen.
„Angesichts der klimatischen Veränderungen und der Umweltverschmutzung spielt die Prävention von Nierenkrankheiten eine besondere Rolle. Die Menschen müssen über die Folgen des Klimawandels für ihre Gesundheit aufgeklärt werden, damit sie wissen, wie sie ihnen bestmöglich entgegensteuern können“, erklärt Prof. Dr. Jens Lutz, Koblenz, Kongresspräsident der 14. Jahrestagung der DGfN.
Grüne Dialyse
Zu den wichtigsten „Klimatreibern“ gehört das Kohlendioxid (CO2), das praktisch bei allen energieverbrauchenden Vorgängen entsteht und dessen massiver Ausstoß eine folgenreiche Umweltbelastung darstellt („CO2-Footprint“) . Auch im Gesundheitswesen findet ein anhaltender Ressourcenverbrauch mit CO2-Emission statt, was bei der Nierenersatztherapie (Dialyse) besonders deutlich wird .
Die extrakorporale Nierenersatztherapie (Hämodialyse und Peritonealdialyse in Zentren oder zu Hause) ist ein langwieriger, energie-, material- und wasserverbrauchender therapeutischer Ansatz für eine meist unheilbare, lebenslange Krankheit. Hinzu kommt bei der Hämodialyse meist dreimal wöchentlich der Transport ins Dialysezentrum über oftmals längere Distanzen. Während einige Daten über die CO2-Bilanz globaler Gesundheitssysteme, z. B. des NHS in Großbritannien, vorliegen, ist über den CO2-Fußabdruck der Dialyseversorgung bis in die allerjüngste Gegenwart wenig bekannt.
Seit 2022 nimmt die Häufigkeit der Publikation von Originalartikeln, Reviews und Aktionsplänen zum Thema Nachhaltigkeit in der Medizin und besonders der Nephrologie zu. Unter anderem nimmt die „European Kidney Health Alliance“/EKHA mit einem interprofessionell und mit Patientenbeteiligung verfassten richtungsweisenden und umfassenden „advocacy article“ Bezug auf den „European Green Deal“ der EU-Kommission. Derzeit entspricht der ökologische Fußabdruck von Dialyseeinrichtungen etwa 700 Tonnen CO2-Äquivalenten oder ca. 6-7 Tonnen pro Hämodialyse-Betroffenen und Jahr .
Die Kommission Klima, Umwelt und Niere der DGfN arbeitet intensiv an Konzepten, wie eine „grünere“, energie- und ressourcenschonendere Dialyse ermöglicht werden kann, die die Behandlung in gleich hoher Qualität erlaubt. Auch diese Herausforderung wird Prof. Lutz darstellen und erste Lösungsansätze aufzeigen.