Ukrainekrieg lässt Österreicher nicht stärker an Globalisierung zweifeln

Ukrainische Flagge Pixabay/jorono 1037 Bilder

In den zwei Monaten nach der russischen Invasion ist der Anteil der Österreicherinnen und Österreicher, die sich weniger Abhängigkeit von russischen Importen wünschen, um fünf Prozentpunkte gestiegen. Die Zustimmung zu der Aussage, dass die wirtschaftliche Globalisierung schlecht für Österreich sei, hat sich hingegen nicht signifikant verändert. Das zeigt eine aktuelle Studie des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO), der Universität Hamburg und des Österreichischen Gallup Institut.

60 Prozent der Befragten sind zudem der Meinung, dass sich die österreichische Politik prioritär um den Bereich Energie und die Unabhängigkeit von Energieimporten kümmern soll. Dieser Anteil stieg mit dem Ukraine-Krieg um zwölf Prozentpunkte.

Jerg Gutmann von der Universität Hamburg, Hans Pitlik vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und Andrea Fronaschütz, CEO des Österreichischen Gallup Institut schlussfolgern in ihrer gemeinsamen Studie, dass der Blick auf die Vor- und Nachteile der Globalisierung in Österreich im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine differenziert ist.

Obwohl die Unabhängigkeit von Importen und insbesondere von Energieimporten als wichtige strategische Herausforderung und Aufgabe der Politik verstanden wird, führt dies nicht automatisch zu einer stärkeren Ablehnung der wirtschaftlichen Globalisierung, der Europa einen wesentlichen Teil seines Wohlstandes zu verdanken hat. Umgekehrt hat die Unterstützung für wirtschaftliche Globalisierung aber auch nicht systematisch zugenommen. Die Bürger scheinen darin also bisher nicht die entscheidende Lösung für Importabhängigkeiten zu sehen.

Der völkerrechtswidrige und durch weite Teile der Staatengemeinschaft verurteilte Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist nicht nur ein geopolitisch einschneidendes Ereignis, sondern hat auch dramatische Folgen für Konsumenten und Unternehmen in Europa, sowie für die globale Ernährungssicherheit. Vor diesem Hintergrund wird nun immer wieder gemutmaßt, dass ein Paradigmenwechsel in der internationalen Wirtschaft bevorstünde, da die Bürger europäischer Staaten ihren Glauben an die wohlstandsfördernde Wirkung der Globalisierung verlieren könnten. Eine Umfrage des Magazins DER SPIEGEL, beispielsweise, deutet darauf hin, dass die Menschen in Deutschland seit Kriegsbeginn mehr Risiken als Chancen in der Globalisierung sehen (Siehe Weitere Informationen unten).

In der nun als Diskussionspapier vorgelegten Studie  wird basierend auf Bevölkerungsumfragen in Österreich untersucht, ob sich die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zur Globalisierung durch den russischen Angriff auf die Ukraine und dessen politische und wirtschaftliche Folgen tatsächlich messbar verändert hat. Die Forscher machen sich zunutze, dass Gallup Österreich nur eine Woche vor der Invasion eintausend Österreicherinnen und Österreicher zu ihrer Einstellung zur Globalisierung befragt hatte und dieselben Fragen zwei Monate später einer ebenso großen Bevölkerungsstichprobe stellen konnte.

„Österreich ist für diese Fragestellung auch deshalb interessant, weil die österreichische Bevölkerung prinzipiell eher globalisierungsskeptisch eingestellt ist und Österreich zuletzt stark von russischen Energieimporten abhängig war“, argumentiert WIFO-Ökonom Hans Pitlik hinsichtlich der Bedeutung der Untersuchungsergebnisse über den österreichischen Kontext hinaus. In der Sachgütererzeugung meldeten in einer WIFO-Studie rund 68 Prozent der sachgütererzeugenden Unternehmen eine Beeinträchtigung durch den Ukraine-Krieg. „Daher würden wir erwarten, dass die österreichische Bevölkerung stärker auf die Ereignisse um den russischen Angriff auf die Ukraine reagiert als dies in der Mehrzahl der übrigen europäischen Länder der Fall ist“, so Pitlik.

In welche Richtung dieser Effekt wirkt, ist dabei nicht klar, betont Jerg Gutmann von der Universität Hamburg: „Einerseits verdeutlicht die fehlende Versorgungssicherheit in Europa in Bezug auf Gas aktuell die Risiken internationalen Handels, wenn man sich in eine einseitige Abhängigkeit begibt. Dies kann Forderungen nach nationaler Autarkie aus dem globalisierungsskeptischen Spektrum Vorschub leisten. Gleichzeitig ist die europäische Abhängigkeit von russischen Gasimporten aber auch Ausdruck fehlender Globalisierung und eine mögliche Antwort ist, dass strategisch relevante Importe möglichst von mehreren und dabei bevorzugt von politisch verlässlichen Handelspartnern bezogen werden sollten.“