Orte mit ökologisch besonders wertvollen Böden werden nur unzureichend durch bestehende Schutzgebiete abgedeckt. Das ist die Schlussfolgerung einer Studie, die in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist. Ein internationales Forschungsteam ermittelte hierfür verschiedene bodenökologische Werte. Diese unterschieden sich stark zwischen den Erdteilen. So war in Ökosystemen gemäßigter Breiten die lokale Bodenbiodiversität besonders hoch, während in Böden kühlerer Klimate Ökosystemdienstleistungen wie Kohlenstoffspeicherung hohe Werte erreichten. Die neue Studie zeigt, wo Schutzmaßnahmen am nötigsten ist.
Dicht unter unseren Füßen liegt eine Welt voller Leben. Böden sind die Heimat von Milliarden Fadenwürmern, Insekten, Pilzen, Bakterien und vielen anderen Lebewesen. Doch wir sind uns dieser Vielfalt und ihrer Bedeutung für die Ökosysteme wenig bewusst. Ohne Böden gäbe es kaum Leben auf dem Festland und sicherlich keine Menschen. Ein Großteil der Lebensmittel, die wir verzehren, hängt direkt oder indirekt von der Bodenfruchtbarkeit ab. Böden sind jedoch auch anfällig für Änderungen des Klimas oder der Landnutzung. Um bodenökologische Werte zu erhalten, müssen wir wissen, wo ihr Schutz am dringendsten ist. Für Pflanzen und Tiere, die über und auf dem Boden leben, wurden bereits vor Jahrzehnten Hotspots der biologischen Vielfalt ermittelt. Für bodenökologische Werte dagegen gab es bisher keine solche Erhebung.
Erstmals mehrere bodenökologische Werte gemeinsam analysiert
In der Fachzeitschrift Nature hat ein Team internationaler Forschender unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Instituto de Recursos Naturales y Agrobiología de Sevilla (IRNAS) die erste globale Schätzung von Hotspots bodenökologischer Werte veröffentlicht.
Sie untersuchten in Böden weltweit die biologische Vielfalt (Wirbellose, Pilze, Protisten, Bakterien und Archaeen) sowie Indikatoren für Ökosystemdienstleistungen. Dafür führten sie über 10.000 Beobachtungen in 615 Bodenproben aus allen Kontinenten durch. Mit diesen Beobachtungen erfassten sie drei bodenökologische Dimensionen: (1) lokalen Artenreichtum, (2) Einzigartigkeit der Artengemeinschaft und (3) Ökosystemleistungen wie Kohlenstoffspeicherung oder Wasserregulierung.
Erdteile mit unterschiedlichen bodenökologischen Werten
Jede der drei bodenökologischen Dimensionen erreicht ihre höchsten Werte in verschiedenen Erdteilen. So wiesen Böden in gemäßigten Ökosystemen den höchsten lokalen Artenreichtum auf, während in ariden Ökosystemen und in den Tropen die Einzigartigkeit der Artengemeinschaft besonders hoch war. Erstautor Dr. Carlos Guerra erklärt: „Wenn man in einem europäischen Boden gräbt, zum Beispiel in einem Wald, findet man viele verschiedene Arten an einem Ort. Wenn man einige Kilometer weiterfährt, findet man ähnliche Arten. Nicht so in den Tropen, wo man ein paar Kilometer entfernt völlig andere Artengemeinschaften finden kann.“ Guerra begann die Arbeit an dem Projekt bei iDiv und der MLU und arbeitet jetzt bei iDiv und der Universität Leipzig. Anders als die beiden Dimensionen biologischer Vielfalt erreichte die Dimension Ökosystemdienstleistungen ihre höchsten Werte meist in den kälteren Erdteilen.
Schutz ökologisch wertvoller Böden
Die unterschiedliche räumliche Verteilung der drei bodenökologischen Dimensionen macht es schwer, alle drei gleichzeitig zu schützen. „Das ist schwieriger als bei Pflanzen und Säugetieren, wo die verschiedenen Dimensionen meist stärker übereinstimmen“, sagt Carlos Guerra. „Wenn es um den Schutz der Böden geht, können wir nicht lokal alle bodenökologischen Dimensionen gleichzeitig maximieren. Stattdessen brauchen wir integrierte Ansätze, die das lokale Potenzial hervorheben.“ Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es den Forschenden Hotspots zu identifizieren, die für den Bodennaturschutz höchste Priorität haben sollten. Diese befinden sich hauptsächlich in den Tropen, in Nordamerika, Nordeuropa und in Asien.
Bodennaturschutz priorisieren
Die Forschenden verglichen die ermittelten bodenökologischen Hotspots mit vorhandenen Schutzgebieten. Sie stellten fest, dass die Hälfte der Hotspots derzeit nicht unter Naturschutz steht. „Schutzgebiete wurden vor allem zum Schutz von Pflanzen, Vögeln oder Säugetieren ausgewählt“, sagt der Erstautor Dr. Manuel Delgado-Baquerizo vom Instituto de Recursos Naturales y Agrobiología de Sevilla. „Wir müssen die Böden, ihre biologische Vielfalt und ihre Leistungen in unsere Betrachtung einbeziehen. Deshalb müssen Regierungen und Entscheidungsträger den Schutz der Böden im Rahmen der internationalen Verhandlungen über die Biodiversitätsziele für 2030 als Priorität festlegen.“ Die neue Studie kann hierbei helfen, da sie zeigt, wo der Bodennaturschutz am dringendsten ist.