Langanhaltende Dürreperioden, großflächige Waldbrände, Hochwasser und Tornados – tagtäglich werden wir mit den dramatischen Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, zusätzlich rückt der Ukraine-Krieg die Notwendigkeit einer unabhängigen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien in den Fokus. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und jeder Einzelne sind gefragt, um die globalen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bewältigen zu können. Mit dieser Thematik beschäftigte sich auch das „Forum Nachhaltigkeit“ am Donnerstagabend an der Hochschule Landshut. Als Moderatorinnen durch den Abend führten Prof. Dr. Diana Hehenberger-Risse und Prof. Dr. Petra Denk.
Rund vier Stunden dauerte die Veranstaltung, die auf der einen Seite mit hochkarätigen Redner*innen aus dem Hochschul- und Wirtschaftsbereich aufwartete und auf der anderen Seite im Rahmen kurzer Pitches Forschungsprojekte sowie Abschluss- und Projektarbeiten im Kontext der Nachhaltigkeit vorstellte. Die Präsentationen übernahmen dabei jeweils die Professoren, wissenschaftliche Mitarbeitern sowie Studierenden selbst.
Wichtige Forschungs- und Transferarbeit der Hochschule
Für Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbacher war die Resonanz auf die Veranstaltung der Beweis, dass das Thema Nachhaltigkeit mehr und mehr in den Köpfen der Menschen ankommt und die Hochschule wichtige „Forschungs- und Transferarbeit“ leistet, um die Entwicklungen in diesem Bereich weiter zu treiben. „Es freut mich außerordentlich, dass wir über 300 Anmeldungen verzeichnen“, so Pörnbacher. Gut ein Drittel davon waren vor Ort am Campus. Das „Forum Nachhaltigkeit“ wurde in hybrider Form organisiert. So konnten die Teilnehmer*innen auch von zu Hause aus über Zoom dem Geschehen folgen. Ein Technikteam der Hochschule hatte hierfür mehrere Kameras mit Schwenkautomatik im Audimax installiert.
Einen besonderen Dank richtete der Hochschulpräsident an den Freundeskreis und die Sparkasse Landshut, die mit einer Spende in Höhe von 5000 Euro die Organisation überhaupt erst möglich gemacht hatten, sowie an den stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, der direkt vom Flughafen an die Hochschule kam, um die Veranstaltung zu eröffnen.
Aiwanger lobte die Hochschule Landshut für die Anstrengungen im Nachhaltigkeitsbereich und für die Umsetzung des Fach-Forums:
„Ich danke Ihnen, dass sie dieses wichtige Thema in die breite Öffentlichkeit tragen und dabei auch wissenschaftlich fundiert begleiten. Nachhaltigkeit muss mit Verstand betrieben werden, das Schielen nur auf kurzfristige Rendite kommt uns am Ende sehr teuer zu stehen. Siehe die Privatisierung und Gewinnmaximierung im Gesundheitswesen, bei Bahn, Telekommunikation und Energie.“
Der Bayerische Wirtschaftsminister betonte die Komplexität der Nachhaltigkeits-Anstrengungen und plädierte zum Denken in Generationen. „Man pflanzt einen Baum, baut ein Haus oder gründet eine Firma auch für die nächsten Generationen. Dieses Denken muss staatlich noch mehr unterstützt statt erschwert werden, auch steuerlich. Die Erbschaftssteuer ist ein Symbol dafür. Ein weiteres Symbol ist, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Pumpspeicherwerke in Deutschland so schlecht sind, dass keine gebaut werden und überschüssige erneuerbare Energie abgeregelt werden muss. Es ist also eine Daueraufgabe, auf mehr Nachhaltigkeit hinzuwirken.“
Nachhaltigkeitsexperten teilen ihre Ideen
Im Anschluss an die Ausführungen des stellvertretenden Ministerpräsidenten, übernahmen die Speaker die Bühne. Den Anfang machte Prof. Dr. Markus Schmitt von der Hochschule Landshut, der die Anwesenden in das Feld der Nachhaltigkeitswissenschaften einführte und dabei auf das Modell der ökologischen Tragfähigkeit, ökonomischen Leistungsfähigkeit und sozialen Gerechtigkeit einging. Alle drei Faktoren müssen laut Schmitt zusammenspielen, um eine nachhaltige Lebensweise erfolgreich zu etablieren. Das klappe jedoch bei weitem noch nicht immer und vor allem nicht flächendeckend. An der Problematik des nicht-nachhaltigen Wirtschaftswachstums verdeutlichte Schmitt die Komplexität nachhaltiger Entwicklung.
Er stellte dabei vier Lösungsansätze vor, die in der Wissenschaft diskutiert werden und die sich in ihren Konsequenzen, Chancen, Gefahren und Transformationsanforderungen unterscheiden: Grünes Wachstum, Degrowth, Postwachstum und Gemeinwohl. Schmitt regte darüber hinaus einen eigenen Masterstudiengang „Nachhaltige Entwicklung“ an, der für Absolventen aller Bachelorstudiengänge zugänglich ist und sich eines transdisziplinären Ansatzes bedient.
Als zweite Referentin berichtete Antje von Dewitz, seit 2009 Geschäftsführerin des Outdoor-Bekleidung-Unternehmens „VAUDE“, von der aktiven Umsetzung von Nachhaltigkeitsideen in der Praxis. Als Teil der Textilindustrie sei VAUDE beim Thema Nachhaltigkeit besonders gefragt, betonte von Dewitz:
„Wir sehen die Diskussion deshalb als unternehmerische Verantwortung. Als Teil des Problems müssen wir auch Teil der Lösung sein.“ In ihrem Vortrag ging die Geschäftsführerin auf Beispiele ein, wie das Unternehmen sich für Nachhaltigkeit einsetzt. So habe man unter anderem einen E-Bike-Pool für Mitarbeiter angeschafft, Busverbindungen optimiert, ehemalige Parkplatzflächen renaturiert und eine Bio-Kantine eingeführt. Auf Produktionsseite etablierte VAUDE ein eigenes Siegel, das sich nach fünf Prinzipien richtet: nachhaltiges Design, umweltfreundliche Materialien, verantwortungsvolle Produktion, Langlebigkeit der Produkte, Recycling und Entsorgung. Ein weiteres ambitioniertes Ziel hat sich von Dewitz bereits gesteckt: „Wir wollen erreichen, dass alle unsere Produzenten auf erneuerbare Energien umstellen.“
Den Abschluss der Vortragsreihe markierte Prof. Dr. Christian Berg von der TU Clausthal, seit über 20 Jahren ein gefragter Nachhaltigkeitsexperte und Präsidiumsmitglied im Club of Rome, eine renommierte gemeinnützige Organisation, die sich weltweit für die nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt. Berg stellte sich wie Schmitt die Frage, wie können wir gute Lebensbedingungen erreichen im Einklang mit ökologischen Belastungen. Er ging außerdem darauf ein, warum Nachhaltigkeit so schwer zu erreichen sei: „Wir sind permanent im Krisenmodus“, erklärte Berg. „Einen guten Lauf hatten wir 2019/2020. Doch Corona hat die Anstrengungen erst Mal wieder gebremst.“
Barrieren überwinden als wichtiger Lösungsansatz
Ein großes Problem seien auch Nachhaltigkeitsbarrieren wie Zielkonflikte, moralische Beschränkungen wie Egoismus oder kognitive Begrenzungen. Für einen Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit müsse sich nicht nur das Handeln, sondern auch die Denkweise der Menschheit ändern. So seien allgemeine Denkweisen und Annahmen nicht universell gültig, als Beispiel nannte er das Einkaufen. „Lokal einkaufen wird oft als nachhaltig und gut propagiert, das ist aber nur dann sinnvoll, wenn beispielsweise der Transport bei der Produktion ins Gewicht fällt“, erklärte Berg. „Äpfel aus Bayern können unter Umständen eine höhere Umweltwirkung haben als einer aus Südafrika – abhängig von der Jahreszeit.“ Das Ziel, das der Nachhaltigkeitsexperte aufrief, hört auf den Namen „Futeranity“ (Future of Terra and Humanity). Dafür braucht es komplexe Problem-Analysen, vor allem der Barrieren, und eine konkrete Unterstützung der Akteure beim Handeln.
Der letzte große Baustein des Nachhaltigkeits-Forums waren die Präsentationen der Hochschulangehörigen zu ihren eigenen Projekten. Nach den einminütigen Pitches hatten die Anwesenden die Möglichkeit, sich persönlich mit den Referierenden auszutauschen und sich die Poster näher erklären zu lassen. Die Themen reichten dabei von der Erforschung von Leichtbauwerkstoffen zur Einsparung von Ressourcen über den Einfluss von Green-Marketing auf die Kaufabsicht, am Beispiel der Kosmetikbranche, bis hin zur digitalen Energienutzung und zur Energieeffizienz durch interaktive Vernetzung.