Auf der kommenden „Conference of the Parties“ im kanadischen Montréal werden neue Zielsetzungen für den Naturschutz beschlossen. Um die Gesundheit allen Lebens auf der Erde zu sichern, ist jedoch mehr und besser ausgestattetes Personal in Schutzgebieten dringend nötig, wie eine neue wissenschaftliche Arbeit zeigt, die heute in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“ veröffentlicht wurde.
Darin argumentiert ein internationales Wissenschaftsteam – darunter zwei Mitglieder des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) –, dass es nicht genug Ranger und anderes Personal gibt, um selbst die derzeitigen Schutzgebiete auf der Welt angemessen zu betreuen. Die Autoren fordern Regierungen, Geldgeber, private Landbesitzer und Nichtregierungsorganisationen auf, die Zahl des Personals um das Fünffache zu erhöhen, um die globalen Ziele zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zu erreichen.
Auf der 15. „Conference of the Parties“ der Konvention über die biologische Vielfalt (vom 7. bis 15. Dezember in Montréal, Kanada) werden Regierungen aus aller Welt zusammenkommen, um sich zu verpflichten, 30 % der Naturschutzgebiete der Erde bis 2030 zu schützen (allgemein als „30 bis 30“ bezeichnet). Die jetzt veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass es bei weitem nicht genug Ranger und anderes Personal gibt, um selbst die derzeitigen Schutzgebiete wirksam zu betreuen und zu schützen.
„Unser Schutzgebietssystem ist die Lebensgrundlage unseres Planeten, denn es versorgt die Menschen mit Wasser und sauberer Luft, speichert Kohlenstoff und verhindert den Verlust der biologischen Vielfalt“, sagt Mike Appleton, Direktor für Schutzgebietsmanagement bei Re:wild und Hauptautor des Aufsatzes. „Dennoch arbeiten in den Vereinigten Staaten mehr Menschen auf Golfplätzen und in Country Clubs als es Ranger auf der ganzen Welt gibt. Das Ziel ‚30 by 30‘ ist ein wichtiges Ziel. Es wird jedoch bedeutungslos, wenn wir nicht auch bereit sind, in Menschen zu investieren, um diese Orte effektiv und gerecht zu betreuen.“
Mitautor Andrew Tilker, Artenschutzbeauftragter für Asien bei Re:wild und Wissenschaftler am Leibniz-IZW, ergänzt: „Die Welt braucht Ranger – zum Schutz der Artenvielfalt, zum Erhalt wichtiger Ökosystemdienstleistungen und um sicherzustellen, dass Wildnisgebiete auch wild bleiben. Unsere Ergebnisse sollten ein Weckruf für die Welt sein. Es ist wichtig, dass wir die Zahl der Ranger erhöhen, um das Wohlergehen der Schutzgebiete weltweit zu sichern.“
Auf der Grundlage von Daten aus 176 Ländern und Gebieten schätzt die Studie, dass es weltweit nur 555.000 Schutzgebietsmitarbeiter gibt, die für 17% der weltweiten Landfläche (über 20 Millionen Quadratkilometer) zuständig sind. Nur 286.000 von ihnen sind Ranger, die Schutzgebiete direkt überwachen, für die Einhaltung der Gesetze sorgen, mit Besuchern und lokalen Gemeinden zusammenarbeiten und Wildtierbestände erfassen. Ranger sind auch als Reiseleiter, Feuerwehrleute, Umweltschützer und in vielen anderen Funktionen tätig. Beispiele für Schutzgebiete sind Nationalparks, Naturreservate, Schutzreservate, Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Naturdenkmäler, staatliche Parks und bestimmte Gebiete, die unter nachhaltiger indigener und traditioneller Verwaltung stehen.
Mitautor Alexandre Courtiol vom Leibniz-IZW, der die Analyse der Daten für die Arbeit leitete, sagt: „Die Analyse der Daten war eine echte Herausforderung, spannend und deprimierend. Unsere Ergebnisse zeigen, wie wenig zufriedenstellend die derzeitige Situation ist. Die gute Nachricht ist jedoch, dass wir nun einen Vergleichsmaßstab geschaffen haben, auf dessen Grundlage wir weiter vorankommen können.“ Courtiol und das Wissenschaftlerteam erechneten, dass für den wirksamen Schutz und die Bewirtschaftung von 30 % der Landfläche der Erde bis 2030 mindestens 2,9 Millionen Arbeitskräfte benötigt werden, darunter 1,53 Millionen weitere Ranger. Neben den staatlichen Schutzgebieten werden viele neue Arten von Gebieten durch Mitarbeiter des privaten und gemeinnützigen Sektors und vor allem durch indigene und lokale Gemeinden, die ihre eigenen Gebiete verwalten, geschützt werden müssen.
Diese Arbeit liefert die erste Schätzung der weltweiten Anzahl von Schutzgebiets-Personal seit 1999 und ist die erste überhaupt, die speziell Ranger einbezieht. Die wissenschaftliche Untersuchung wurde in Zusammenarbeit von Re:wild, der IUCN World Commission on Protected Areas, dem Leibniz-IZW, dem WWF, der Game Rangers Association of Africa, der International Ranger Federation und der Ranger Federation of Asia durchgeführt.
„Diese wichtige Arbeit kommt zur rechten Zeit, da unser Fortbestehen auf diesem Planeten aufgrund der vom Menschen verursachten Krisen des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt immer stärker gefährdet ist“, sagt Madhu Rao, Vorsitzende der IUCN-Weltkommission für Schutzgebiete. „Damit ein Land oder eine Region eine Chance hat, die ehrgeizigen globalen Ziele zu erreichen, die zur Abschwächung dieser schädlichen Auswirkungen festgelegt werden, muss in erheblichem Umfang in die Menschen investiert werden, die mit dem Schutz von Wildtieren, natürlichen Ökosystemen, natürlichen Ressourcen und den Gemeinschaften und Kulturen betraut sind, die diese seit Jahrtausenden erhalten haben. Damit ehrgeizige globale Ziele sinnvoll und wirksam sind, brauchen wir mehr engagiertes, kompetentes und gut unterstütztes Personal vor Ort.“
Die Analyse unterstreicht auch die Notwendigkeit, nicht nur das Personal aufzustocken, sondern das Schutzgebietsmanagement als eine lebenswichtige professionelle Dienstleistung anzuerkennen, ähnlich wie medizinisches Personal und Ersthelfer. Andere Studien haben gezeigt, dass das Schutzgebietspersonal in vielen Ländern unterbezahlt, unterfinanziert und unzureichend ausgebildet ist und unter unangemessenen Arbeitsbedingungen leidet.
„Die Effektivität des Lebenserhaltungssystems unseres Planeten hängt nicht nur von der Zahl der geschützten Hektar ab, sondern auch von der Investition in gute und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Chris Galliers, Präsident der International Ranger Federation. „Während wir hart daran arbeiten, dass unsere Ranger weltweit repräsentativer, professioneller und verantwortungsbewusster werden, brauchen sie weitaus mehr Kapazitäten und Unterstützung als respektierte Betreuer unserer Wildtiere und Wildnisgebiete. Ranger spielen eine Schlüsselrolle bei der Verringerung der Bedrohungen für die Gebiete und Lebensgrundlagen lokaler und indigener Gemeinschaften, einschließlich der Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels. Eine feste Verpflichtung, die Ranger in den Mittelpunkt des Erreichens aller globalen Ziele, einschließlich des Ziels ‚30 bis 30‘, stellt, ist also dringend erforderlich.“
Neben dem Schutz der biologischen Vielfalt und der Kulturen bewahrt das Personal von Schutzgebieten lebenswichtige Ökosystemdienstleistungen und bringt der lokalen Bevölkerung und der Wirtschaft insgesamt erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Der Analyse zufolge könnte jeder neue Schutzgebietsmitarbeiter wirtschaftliche Vorteile im Wert von mindestens 28.800 US-Dollar generieren.
„Die Gesellschaft muss den enormen wirtschaftlichen Nutzen anerkennen, den Schutzgebiete für Gemeinden, Volkswirtschaften und unseren Planeten bringen“, sagt Wes Sechrest, leitender Wissenschaftler und CEO von Re:wild. „Wenn wir dies tun, können wir die bescheidenen Kosten für die Beschäftigung und Unterstützung von Menschen zum Schutz unseres Planeten bezahlen, Gemeinden können von den Gebieten profitieren, die sie betreuen, und Länder können sich schnell naturfreundliche und nachhaltige Umweltpraktiken aneignen.“