Für Afrika sind andere Ansätze für die Energiewende gefragt

Angoche im Nordosten Mosambiks: Kinder spielen mit Wasser aus einem frisch gebohrten Brunnen. Enwicklung läuft in jedem afrikanischen Land anders. | Foto: Shutterstock/JonathanJonesCreate

Im Vorfeld der anstehenden Weltklimakonferenz COP27 fordern Fachleute aus 50 wissenschaftlichen Institutionen in Bezug auf Afrikas Energiewende ein Umdenken in Politik, Forschungsfinanzierung und Forschung: Eine Studie zeigt radikal unterschiedliche Energiebedürfnisse. Sie wurde erstellt von 40 afrikanischen Fachleuten sowie in Co-Autorenschaft Fachleuten etwa aus dem Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change), dem University College London, der UN-Wirtschaftskommission, dem Climate Compatible Growth Programme und der Uni Oxford. Sie ist veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Nature Energy.

„Die COP27 ist die COP Afrikas“, betont Jan Steckel, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung und Co-Autor. Es ist für uns wichtig, innovativen Leuten aus Afrikas Energie-Szene zuzuhören und von ihnen zu lernen. Es gilt, die Priorität auf den Zugang zu Energie zu legen, auf Gerechtigkeit und auf Investitionen in netzgebundene und -unabhängige Energiegeräte, um so die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung und den ökonomische Fortschritt zu befördern. Wir hoffen, diese Studie ist dabei hilfreich.“

Bislang, so betont das Autorenteam, wird die Debatte über Afrikas Energie vom globalen Norden dominiert. Dabei wird der Kontinent als gleichförmiges Ganzes gesehen, in Bezug auf Energiebedarf und auf Zukunftspfade Richtung Treibhausneutralität. Wie falsch das ist, zeigt die Studie mit Analysen für vier beispielhafte Länder: Äthiopien, Südafrika, Mosambik und Burkina Faso. So haben in ländlichen Gebieten Burkina Fasos unter 5 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Strom, und hybride Photovoltaik-Diesel-Systeme können ein kosteneffizientes Mittel der Entwicklung sein. Dagegen ist Äthiopien ein Kraftzentrum grünen Wachstums, mit 90 Prozent Energiegewinnung aus Wasserkraft und billigen Solar- und Windanlagen, was die weitere Entwicklung antreibt. Dies belegt die Unterschiedlichkeit der Energiesysteme und -bedürfnisse.

Mit einer Analyse aller 54 afrikanischen Länder macht das Forschungsteam zudem deutlich: Jedes Land hat mit Blick auf seine Entwicklungsziele andere Ausgangspunkte, Lösungen und Unwägbarkeiten bei die Nutzung von erneuerbarer Energie oder fossilen Brennstoffen – und dürfte daher auch einen anderen Weg zum Erfolg suchen. „Die globale Debatte ist durch wenig hilfreiche Verallgemeinerungen gekennzeichnet“, sagt Youba Sokona, stellvertretender Vorsitzender des Weltklimarats IPCC und Autor der Studie. „Unsere Forschung zeigt, dass die Weltgemeinschaft länderspezifische Nuancen akzeptieren und unterstützen muss, um Entwicklungs- und Klimaziele in Afrika zu erreichen. Die Wege zu sauberen Energiesystemen hängen stark davon ab, wie realisierbar sie in den einzelnen Ländern sind.“

Die Studie verweist auf die in der Forschung vielfach belegten Vorteile von Erneuerbaren für Afrika und die Welt: Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen, größere Resilienz gegen den Klimawandel, Stärkung des Gesundheitswesens. Dagegen bergen Erdgas-Projekte das erhebliche Risiko von Fehlinvestitionen, wobei Auswirkungen und mögliche Gegenstrategien bislang wenig erforscht sind. „Mehrere afrikanische Länder, darunter Mosambik, stehen hier kurz davor, langfristige Verpflichtungen einzugehen“, sagt Philipp Trotter von der Universität Wuppertal und der Smith School of Enterprise and the Environment an der Uni Oxford: „Mit Blick auf die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele ist es entscheidend, dass die Regierenden für fundierte Entscheidungen die nötigen Informationen haben. Derzeit ist das nicht der Fall. Dabei können heutige Entscheidungen in diesen Ländern jahrzehntelange Auswirkungen haben.“

„Länderspezifische, evidenzbasierte Energieoptionen und Wege zur Umsetzung werden jetzt in ganz Afrika dringend benötigt“, sagt Yacob Mulugetta, Professor für Energie- und Entwicklungspolitik am University College London und Leitautor der Studie. „Das erfordert nationale Führung sowie internationale Geldgeber, Forschungsunterstützung und maßgeschneiderte Finanzierungen und Investitionen. Wir hoffen, dass diese Forschungsarbeit Afrikas Regierungen ermutigt, mehr Verantwortung für ihre Energie-Entscheidungen zu übernehmen – also das Energiesystem langfristig zu betrachten und sicherzustellen, dass dessen Zukunft in ihren Händen liegt und den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung dient.“