Die Sicherung der Energieversorgung, die Bewältigung des Klimawandels und der Ausbau erneuerbarer Energien haben hohe Priorität in Deutschland. Gemeinden verfolgen jedoch oft eigene Ziele: Insbesondere kommunale Bauvorschriften, zum Beispiel zum Schutz des historischen Ortsbildes, stehen im Konflikt mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien. Wie sich das auswirkt, hat ein Forschungsteam um Prof. Dr. Stefano Carattini, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Georgia State University, Atlanta, USA, und Prof. Dr. Andreas Löschel, Professor für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum, untersucht. Die Studie zeigt, dass viele Gemeinden Bauvorschriften erlassen haben, welche die Installation von Fotovoltaikanlagen reglementieren. Diese Gemeinden weisen 10,4 Prozent weniger Solarstromleistung auf als Gemeinden in der Vergleichsgruppe. Die Studie ist am 24. Oktober 2022 als CESifo-Arbeitspapier in München erschienen.
In Deutschland haben das Erneuerbare-Energien-Gesetz und der resultierende Zuwachs an Solaranlagen in den vergangenen zwei Jahrzehnten entscheidend dazu beigetragen, den Preis von Solarstrom stark zu verringern. Der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix hat dadurch erheblich zugenommen. „Die Ausbauziele sind jedoch immens und übersteigen den historischen Trend deutlich“, sagt Andreas Löschel. „In unserer aktuellen Studie erforschen wir zum ersten Mal, ob baurechtliche Vorgaben, insbesondere das Baugestaltungsrecht, ein entscheidendes Hindernis für den Ausbau der Solarenergie darstellen.“
Pläne, Satzungen, Vorschriften und eine Umfrage
Die Forschenden haben die Rolle von Bauleitplänen, Gestaltungssatzungen und Vorschriften untersucht, die von Gemeinden erlassen werden und die Installation von Fotovoltaikanlagen direkt oder indirekt betreffen. Damit haben sie Daten von allen Solaranlagen in Deutschland verknüpft, die aus dem Marktstammregister der Bundesnetzagentur für die Jahre 1991 bis 2020 stammen. Zudem bezogen sie die Ergebnisse einer Umfrage unter allen deutschen Gemeinden und Städten ein. Darin hatten sie systematisch Informationen zu den kommunalen Anforderungen und rechtlichen Vorgaben erhoben, welche die Installation von Solarstromanlagen betreffen.
15 Prozent der Gemeinden haben Regelungen, die Solaranlagen betreffen
Die Studie zeigt, dass gut 15 Prozent der Gemeinden der Stichprobe eine oder mehrere Regelungen erlassen haben, welche die Installation von Fotovoltaikanlagen betreffen. Dabei sind zielgenaue rechtliche Vorgaben am weitesten verbreitet. „Wir unterscheiden in der Umfrage zwischen drei häufigen Vorschriften“, erklärt Béla Figge von der Georgia State University: „Erstens, dass Solaranlagen nicht von der Straße sichtbar sein dürfen. Zweitens, dass Solaranlagen kein Licht auf andere Gebäude oder die Straße reflektieren dürfen. Drittens, dass Solaranlagen in das Dach oder die Wände integriert sein müssen.“ Variationen dieser drei Vorschriften sind verbreitet, relativ selten sind dagegen Verbote von Fotovoltaikanlagen und lokale Förderungsprogramme.
„Wir können zeigen, dass Gemeinden, die rechtliche Anforderungen in Bezug auf Fotovoltaikanlagen erlassen, 8,9 Prozent weniger Fotovoltaikanlagen aufweisen und 10,4 Prozent weniger Solarstromleistung haben“, so Löschel. Kleine und mittlere Solaranlagen zwischen fünf und zehn Kilowatt sind am stärksten betroffen.
Zu viel Unsichtbarkeit ist auch nicht gut
Um den Zielkonflikt zwischen dem Erhalt des Ortsbilds und dem Ausbau der Fotovoltaik abzuschwächen, schlagen die Forschenden unter anderem vor, zügig Solaranlagen zu entwickeln, die optisch ansprechender gestaltet sind und sich in die vorhandene Bausubstanz integrieren lassen. Allzu viel Unsichtbarkeit sei allerdings auch nicht günstig: Frühere Untersuchungen von Stefano Carattini zeigen, dass es sogenannte Peer-Effekte gibt. Nachbarn lassen sich inspirieren und bauen ebenfalls Solaranlagen – dafür müssen die Anlagen aber sichtbar sein.