Reparieren ist en vogue. Während im Wochentakt neue Repair Cafés eröffnet werden, dringt die Initiative „Schraube locker!?“ mit ihrer Forderung für ein Recht auf Reparatur bis zur Europäischen Union vor. Ist dies die Renaissance einer verloren geglaubten Kulturtechnik oder lediglich ein kurzlebiger Hype? In dem Buch „Verhältnisse Reparieren“ tauchen die Forscherinnen Melanie Jaeger-Erben und Sabine Hielscher in die Welt der Laien-Reparatur und des Do-it-Yourself ein. Vor allem geht es den beiden Autorinnen um eines: zu beschreiben, wie das Reparieren und Selbermachen sich positiv auf die Identität auswirken kann und zudem die sozialen Beziehungen sowie das gestörte Verhältnis von Mensch und Umwelt verbessert.
„Moderne Haushalte sind gefüllt mit immer mehr Dingen, von denen viele wenig oder gar nicht genutzt werden, die reparaturbedürftig sind oder mal einen neuen Anstrich brauchen. Uns hat interessiert, unter welchen Umständen Menschen wieder in eine Beziehung mit diesen Dingen treten“, erklärt Melanie Jaeger-Erben, Technik- und Umweltsoziologin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. „Die gegenwärtigen Umstände von Produktion oder Konsum auf dem kapitalistischen Markt entfremden Menschen und Dinge eher voneinander. Reparieren und Do-It-Yourself kann diese Entfremdung überwinden und neue Verhältnisse schaffen.“
Die heilende Wirkung des Reparierens und Selbermachens
Die Wissenschaftlerinnen sind der Frage nachgegangen, was genau an den Mensch-Ding-Verhältnissen ‚kaputt‘ ist und repariert werden muss. „Wir denken, dass die Anschaffung, Aneignung, Alltagsnutzung und schließlich die Beziehung zu den Dingen in der westlichen Welt neu entdeckt und erlebt werden müssen“, so Sabine Hielscher, die am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zu sozialen Innovationen und sozialem Wandel forscht. „Wir wollen hinter diese Begriffe schauen und zeigen, wie die Eigenarbeit an den Dingen beim Reparieren und Selbermachen eine heilende Wirkung haben kann. Es sind nicht nur die Dinge selbst, die repariert werden, sondern auch die Verhältnisse und Beziehungen zur Welt.“
Wie sich die Praxis des Reparierens auf die Beziehungen zu den Dingen und zur Welt auswirkt, zeigen in dem Buch zahlreiche Reparateur*innen selbst – durch Bilder, Zeichnungen und Zitate. Dabei wird deutlich, dass es immer auch um die Beziehungen von Menschen untereinander geht, die über Dinge gestaltet werden – um die Kommunikation über Dinge, um die über Konsumgegenstände gelebte soziale Praxis und um das gemeinsame Tätigwerden am Ding in Gemeinschaften der Eigenarbeit.
Fazit: Das Buch ist ein Plädoyer für mehr kreative Reparier-Experimente und die Förderung inklusiver Orte der gemeinschaftlichen Reparatur.