Trocknen Torfmoore aus, können sie große Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre abgeben. Weil sie so sensibel auf Klimaänderungen reagieren, sind sie gleichzeitig wichtige Kipppunkte. In einer in Nature veröffentlichten Studie, maßgeblich verantwortet von Forschenden des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, des französischem Forschungsinstituts für nachhaltige Entwicklung (IRD, Frankreich), der Universität Leeds (Großbritannien) und diverser anderer Institute, untersucht das internationale Team, wie sensibel in Torf gespeicherter Kohlenstoff in Zentralafrika auf Umweltveränderungen reagiert und welche Auswirkungen das auf das Klima und den globalen Kohlenstoffkreislauf haben kann.
Nicht nur Meere und Ozeane binden Kohlenstoff aus der Atmosphäre, sondern auch Moore. Sie gelten als größte terrestrische Kohlenstoffspeicher. Auf den mit Wasser bedeckten Flächen werden Pflanzen, also Kohlenstoff, zersetzt und unter sauerstoffarmen Bedingungen gespeichert – solange der Torf mit Wasser bedeckt ist. Ein Moor als Kohlenstoffspeicher funktioniert also nur, wenn die Moore nicht austrocknen, zum Beispiel durch Klimaveränderungen oder menschliche Aktivitäten wie Landwirtschaft, Torfabbau oder Straßenbau.
Das Kongobecken ist eines der größten Flussbecken der Erde
In weiten Teilen dominieren hier tropische Wälder, aber im zentralen Becken, der sogenannten Cuvette, herrschen Sumpfwälder vor. Bis etwa zum Jahr 2000 ging man davon aus, dass es dort nur Regenwald gibt. Erst danach wurde durch Satellitenaufnahmen deutlich, dass das Land unter den Bäumen unter Wasser steht. 2017 ergab eine Kartierung, dass sich hier der weltweit größte tropische Torflandkomplex befindet – in Zahlen über 167.600 Quadratkilometern, das entspricht über vier Mal der Fläche Baden-Württembergs. Um den Erhalt dieses einzigartigen Ökosystems zu fördern, wurden auf der 26. Klimakonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 2021 1,5 Milliarden US-Dollar zugesagt, unter anderem von der Europäischen Union und Deutschland.
Dr. Enno Schefuß vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften erforscht seit Langem das Kongobecken und dessen Bedeutung für den globalen Kohlenstoffkreislauf. Im Frühjahr 2022 leitete er eine Expedition in das Gebiet, um Proben zu gewinnen. Das laufende deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mitfinanziert. Zusammen mit Kollegen untersucht er die Sensitivität dieses einzigartigen Ökosystems auf Klimaänderungen.
„Über die Entstehung und Geschichte dieses Torfgebiets und damit auch dessen Kohlenstoffdynamik ist so gut wie nichts bekannt. Dieses Verständnis ist aber wichtig, um die Anfälligkeit dieses Ökosystems auf den Klimawandel zu ermitteln und Informationen zu liefern, wie sich Abholzung, Ölexploration und Landwirtschaft auswirken“, sagt Enno Schefuß, einer der Hauptautoren des Nature-Artikels.
Durch Datierungen an Torfbohrungen aus der Region stießen die Forschenden auf ein immer gleiches Muster. Zwischen etwa 7.500 und 2.000 Jahren vor heute gab es eine Phase, in welcher der Torf extrem kondensiert ist. Mittels geochemischen Analysen konnten sie ermitteln, dass in dieser Zeit zwar Torf abgelagert, jedoch zersetzt wurde und den Hauptteil an Kohlenstoff verloren hat. Der jetzige, kondensierte Torf aus dieser Zeit ist lediglich der Rest des ursprünglich vorhandenen, mehrere Meter dicken Torfs. Zu gleicher Zeit wurde in marinen Sedimenten vor der Mündung des Kongo alter Kohlenstoff eingetragen, also nicht degradierte Abbauprodukte des alten Torfs. Solch ein Eintrag terrestrischen Kohlenstoffs durch Flüsse in den Ozean ist eine wichtige Komponente des globalen Kohlenstoffkreislaufs, welcher am MARUM im Rahmen des Exzellenzclusters „Ozeanboden“ erforscht wird.
Was war passiert?
„Mittels einer sogenannten paläo-hydrologischen Rekonstruktion, also der Erfassung von Regenfall-Bedingungen der Vergangenheit, haben wir festgestellt, dass das Moor innerhalb dieser Phase ausgetrocknet ist. Uns ist es gelungen, ungefähre Angaben zu erhalten, wieviel es vor, während und nach der Zersetzungsphase geregnet hat“, so Schefuß. Interessant sei dabei gewesen, dass die Zersetzung nicht nur den Torf betraf, der während dieser Zeit gebildet wurde, sondern auch darunterliegende Torfschichten. „Die Zersetzung hat sich also in den Torf ‚hineingefressen‘.“
Mittels moderner Klimadaten, der genauen Torfverteilung und den Befunden aus den Regen-Rekonstruktionen konnten Schefuß und seine Kollegen daraufhin ermitteln, unter welchen Bedingungen sich der Torf bildete, unter welchen er abgebaut wurde und wie die Situation heute ist. Vor der Zersetzungsphase entsprachen die Regen-Bedingungen denen der heutigen tropischen Moore in Nord- und Süd-Amerika, Asien und Ozeanien. Während der Zersetzung regnete es etwa einen Meter pro Jahr weniger. Erst 2.000 Jahre vor heute stabilisierte sich die Situation wieder, und der Torf begann wieder zu wachsen. Allerdings befindet sich das Torfmoor in Zentralafrika heute unter deutlich trockeneren Klimabedingungen als andere tropische Moore. Es liegt daher – zu diesem Ergebnis kommen die Autoren der aktuellen Studie – gefährlich nahe am Kipppunkt.
„Unsere Aufgabe als Wissenschaftler:innen ist es, belastbare Daten zu erzeugen, die es politischen Entscheidungsträger:innen erlauben, vulnerable Ökosysteme zu schützen und gleichzeitig nachhaltige Entwicklungen ermöglichen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Torf im tropischen Kongobecken nahe am Kipppunkt von einer Kohlenstoff-Senke zu einer Quelle ist, jedoch auch, dass er resilient ist, sich also bei günstiger Entwicklung wieder erholen kann“, ergänzt Enno Schefuß. „Ich würde es sehr befürworten, die Anfälligkeit dieses arten- und kohlenstoffreichen Ökosystems auf den Klimawandel des 21. Jahrhunderts durch weitere Forschung, unter Einbindung lokaler Kolleg:innen, besser abzuschätzen, um deren künftige Entwicklung vorherzusagen.“