Anhaltende Trockenheit, extreme Hitze und zerstörerische Starkregen bedrohen Städte und ihre Einwohnerschaft zunehmend. Um Städte klimafest zu machen, hat ein Forschungsteam der Beratungsfirma adelphi, der Universität Potsdam und des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) nun einen Katalog von zwölf Empfehlungen vorgelegt, die sich an Bund, Länder und Kommunen richten. Sie adressieren auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, die wirksames Handeln bisher behindern. Unter anderem soll Anpassung an den Klimawandel zur Pflichtaufgabe für Kommunen werden.
Dächer begrünen, Flächen entsiegeln, weniger Beton, dafür mehr Schatten und Versickerungsmöglichkeiten: Aus bautechnischer Sicht gibt es viel, was Städte tun können, um sich gegenüber dem fortschreitenden Klimawandel zu wappnen. Doch damit Maßnahmen der Klimaanpassung langfristig und flächendeckend wirken können, müssen sie zu einem selbstverständlichen Teil der kommunalen Planung werden. Derzeit fehlen für eine solche Integration aber noch wesentliche rechtliche und finanzielle Grundlagen. Ein Team von acht Autor*innen aus Forschung und Beratung hat nun gemeinsam mit Fachleuten aus der Praxis ein Policy Brief mit zwölf Handlungsempfehlungen erarbeitet, die sich sowohl an die kommunale Politik und Verwaltung als auch an die Landes- und Bundesebene richten. In die Empfehlungen flossen wissenschaftliche, juristische, politische und planerische Expertise ein.
Gesetzlichen Rahmen und finanzielle Sicherheit für kommunale Klimaanpassung herstellen
Fünf „übergeordnete“ Empfehlungen (Ü1 bis Ü5) zielen auf verbesserte Rahmenbedingungen für die Integration der Klimaanpassung in die Planung auf Landes- und Bundesebene. Bislang wird in wesentlichen Gesetzen nichts oder wenig zum Thema Klimaanpassung geregelt. Deshalb soll das Thema in alle relevanten Bundes- und Landesgesetze (etwa die Klimaschutzgesetze, das Wasserhaushaltsgesetz und das Baugesetzbuch) aufgenommen und dort, wo es bereits verankert ist, weiter konkretisieret werden.
Besonders finanzschwache Kommunen stehen zudem vor dem Problem, dass es zwar projektbasierte Förderung für Klimaanpassung gibt, diese jedoch immer nur vorübergehend gewährt wird. Die Autoren empfehlen deshalb, Klimaanpassung durch Landesgesetze zur Pflichtaufgabe für Kommunen zu machen. Dafür müssten die Kommunen dauerhaft mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet werden. Ärmere Bundesländer sollen wiederum über eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Klimaanpassung“ vom Bund unterstützt werden. Projektförderung für investive und innovative Maßnahmen soll es trotzdem weiterhin geben. Besonders in zwei Gebieten mahnen die Autor*innen außerdem deutliche Verbesserungen in den Förderkulissen für Kommunen an: Beim Monitoring, ob etwa bauliche Vorschriften tatsächlich eingehalten werden, und bei Aktionsplänen zur Vorbereitung auf Hitzewellen, die bereits jetzt jedes Jahr tausende Todesopfer fordern.
Die Möglichkeiten der kommunalen Bauleitplanung besser nutzen
Sieben weitere, „spezifische“ Empfehlungen (S1 bis S7) beziehen sich auf die kommunale Planungspraxis und spezifische gesetzliche Vorschriften. Mit der Bauleitplanung steht den Kommunen ein Steuerungsinstrument für zahlreiche gesellschaftliche Bereiche wie Wohnungsbau, Verkehr, Energiewirtschaft, Wasserwirtschaft, Gesundheitswesen und Vorsorge gegenüber Naturgefahren zur Verfügung, das für die Verbesserung der städtischen Anpassungskapazität genutzt werden kann.
Doch an vielen Stellen behindern rechtliche Regelungen und falsche Prioritäten wirksames Handeln. Besonders bei der Frage, wie Flächen entsiegelt und vielfältig genutzt werden können, machen die Autoren zahlreiche Blockaden aus, so etwa PKW-Stellplatzpflichten in Landesbauordnungen, Zuständigkeitskonkurrenz zwischen verschiedenen Fachverwaltungen oder zu schwache Eingriffsregelungen, die bei flächenversiegelnden Neubauten eine ausgleichende Entsiegelung anderswo erzwingen könnten. Weiterhin sehen sie eine Notwendigkeit für mehr lokale Überzeugungsarbeit (z. B. hinsichtlich des wasserwirtschaftlichen Nutzens von Gründächern) und eine stärker an Klimaanpassung orientierte Anwendung von existierenden Regeln – etwa im Denkmalschutz oder beim Schutz der menschlichen Gesundheit angesichts extremer Hitze.
Die Handlungsempfehlungen wurden im Rahmen des Forschungsprojektes „ExTrass: Urbane Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen — Typologien und Transfer von Anpassungsstrategien in kleinen Großstädten und Mittelstädten“ (als Teil der BMBF-Leitinitiative „Zukunftsstadt“) von Forschenden und kommunalen Fachleuten erarbeitet. An zwei Workshops im Februar und September 2021 waren über insgesamt fünf Tage mehr als 80 Personen aus unterschiedlichen Bereichen (Stadt- und Umweltplanung, Klimaanpassungsmanagement, kommunale Verwaltung, Forschung) aus 65 Kommunen in Deutschland beteiligt.