Moore gelten als Multitalente im Kampf gegen Klima- und Artenkrise, zugleich sind sie umrankt von Mythen und Märchen. Dass diese für den Planeten wichtigen Ökosysteme aber nicht nur für den Natur-, sondern auch für den Denkmalschutz eine bedeutende Rolle spielen, dürfte viele überraschen. „Notwendig ist ein ganzheitlicher Ansatz. Denn die Moore zählen zu den wichtigsten Bodenarchiven der Archäologen“, sagt Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die DBU hat daher das zu Ende gehende Projekt „Kulturelles Erbe und Naturschutz in Mooren“ des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege (NLD) gefördert. Ein Ziel: durch Vorträge, Podiumsdiskussion und Exkursion in die Dümmerniederung Verständnis für die unterschiedlichen Belange zu wecken.
Fundgrube von Artefakten
„Das Moor speichert nicht nur klimaschädliches Treibhausgas Kohlendioxid (CO2); der Boden ist auch eine Fundgrube vielfältiger Infos und Artefakte – von Gebäuden über Fischerei bis hin zu Moorwegen“, sagt Andreas Bauerochse. Als Paläoökologe beim NLD kennt er sich mit der Materie bestens aus, seit Langem befasst er sich mit der Rekonstruktion früherer Klima- und Siedlungsverhältnisse. Bauerochse: „Wenn Naturschutz-Maßnahmen wie das Renaturieren von Bächen und Dämmen, das Wiedervernässen oder das Anlegen von Laichgewässern in Gang gebracht werden, besteht immer auch das Risiko, die für den Denkmalschutz so wichtigen kulturgeschichtlichen Hinterlassenschaften unwiederbringlich zu zerstören.“
Zeit für Perspektivwechsel
Natur- und Denkmalschützer vereint Bauerochse zufolge zugleich das gemeinsame Bestreben, die Moore nass zu halten. Denn das sei letztlich die Voraussetzung sowohl für CO2-Speicherung und den Erhalt seltener Pflanzen, Vögel und Insekten im Lebensraum Moor als auch für die Bewahrung des Moors als Bodenarchiv. Sein Appell: „Es ist Zeit für einen Perspektivwechsel. Beide Seiten können von Synergien profitieren.“ Ein lohnenswerter neuer Ansatz aus seiner Sicht: wenn schon in der Ausbildung Module mit Aspekten der jeweils anderen Interessen eingebaut werden – Landschaftsplaner und Biologen würden auf diese Weise mehr über Denkmalschutz erfahren und umgekehrt etwa Ur- und Frühhistoriker in ihren Studiengängen vertiefende Einblicke in den Naturschutz erhalten.
„Moore sind unverzichtbare Verbündete“
Nach Bondes Worten ist die Lage für Moore derzeit dramatisch. „Weltweit ist bereits etwa ein Fünftel der Moore entwässert – mit gravierenden Folgen für die Treibhausgas-Emissionen“, so Bonde. „Die Moore sind aber unverzichtbare Verbündete, um Klima- und Biodiversitätskrise zu überwinden.“ Auch in Deutschland haben Moore mittlerweile Seltenheitswert. Laut Bundesumweltministerium sind mehr als 90 Prozent zurzeit entwässert, vor allem für land- und forstwirtschaftliche Nutzung. Das sei ökologisch und ökonomisch nicht nachhaltig, so das Ministerium. Kürzlich hat die Bundesregierung deshalb eine neue nationale Moorschutzstrategie beschlossen. Wie wertvoll die Moore sind, zeigt ein Blick in die Statistik: Bundesweit gibt es etwa 1,8 Millionen Hektar Moorböden, vor allem im norddeutschen Tiefland und im Alpenvorland. Das sind zwar lediglich fünf Prozent der Landesfläche. Aber: Allein in diesen Moorböden ist so viel Kohlenstoff gespeichert wie in allen Wäldern Deutschlands.
Unschätzbare Informationen über vergangene Kulturformen
DBU-Fachreferentin Constanze Fuhrmann für Umwelt und Kulturgüter weist derweil darauf hin, wie kostbar das Mikroklima der Moore für Archäologen ist: „Historische Überreste, antike Wege und im Einzelfall sogar Moorleichen bleiben so für die Nachwelt erhalten.“ Das seien unschätzbare Informationen über vergangene Kulturformen und Siedlungsgeschichte. „Darüber also, wie frühere Völker gelebt, wie sie sich ernährt haben.“ NLD-Experte Bauerochse ergänzt: „Solche Einsichten sind auch deshalb so wichtig, weil man ja bei einer geplanten Wiedervernässung von Mooren einen Zustand anstreben sollte, wie er mal vorhanden war.“ Der Paläoökologe weiter: „Man kann nur so weit nach vorne gucken, wie man zurückschauen kann.“
Längster Bohlenweg Deutschlands im Aschener Moor
Eine Exkursion in der Dümmerniederung bot dazu ausreichend Gelegenheit. Auf dem Programm stand dabei auch eine Stippvisite im Aschener Moor im Landkreis Diepholz – als anschauliches Beispiel, wie die Symbiose zwischen Natur- und Denkmalschutz funktionieren kann. Denn dort befindet sich der mit mehr als vier Kilometern einst längste Bohlenweg Deutschlands, von dem jetzt nur noch etwa 520 Meter erhalten sind. Doch es gibt Hoffnung: Der alte Weg liegt in einem mittlerweile wiedervernässten Torfabbaugebiet – noch dazu als Teil einer Fläche, die vom Torfabbau ausgenommen und Keimzelle eines künftigen Naturschutzgebiets ist.
„Solche Schätze sollten wir bewahren“, so Fuhrmann. Die Entwicklung von Landschaft und Besiedlungsgeschichte nach der letzten Eiszeit könnten so nachvollzogen werden. Bauerochse ergänzt: „Solche Bodenzeugnisse erzählen zudem viel über die Veränderungen von Vegetation, Klima und hydrologischen Bedingungen.“
Das Projekt für neue Synergien zwischen Natur- und Denkmalschutz soll übrigens weitergehen: Alle zwei Jahre sind – quer durch die Republik – ähnliche Tagungen und Exkursionen an wechselnde Orte und in verschiedene Moorregionen geplant. Eine Broschüre, die beide Seiten berücksichtigt, geht bald in Druck.