Nach dem Beschluss weiterer Finanzhilfen der EU hat Europa inzwischen erstmals die USA bei der Gesamtsumme der zugesagten Hilfe an die Ukraine überholt. Deutschland hat sich zum größten Geberland in Europa entwickelt, wie die Auswertungen für das jüngste Update des Ukraine Support Trackers ergeben. Angesichts der Angriffe Russlands auf zivile Infrastruktur und des Winters geraten vor allem Luftabwehrsystem bzw. Kälteausrüstung in den Blickpunkt.
Im nun zusätzlich für den Ukraine Support Tracker erfassten Zeitraum (4. Oktober bis 20. November) hat die EU ihre Unterstützungszusagen deutlich ausgeweitet. Die EU-Länder kommen zusammen mit den EU-Institutionen jetzt auf knapp 52 Mrd. Euro an militärischer, finanzieller und humanitärer Hilfe. Die von den USA gemachten Unterstützungszusagen summieren sich auf knapp 48 Mrd. Euro. Wesentlicher Grund für die Veränderungen ist ein von der EU für 2023 beschlossenes, 18 Mrd. Euro schweres Paket an finanzieller Unterstützung für die Ukraine (Macro-Financial Assistance, MFA). Die USA haben ihre insgesamt großen Hilfszusagen nicht noch einmal ausgeweitet, und einige vom Kongress freigegebene Mittel sind zwischenzeitlich ungenutzt verfallen, da das Haushaltsjahr 2022 abgelaufen ist.
„Bisher hinkte die seit Kriegsbeginn zugesagte Unterstützung der EU an die Ukraine immer den Amerikanern hinterher. Nun übertreffen die europäischen Zusagen das Volumen der von den USA angekündigten Hilfen. Das sollte auch so sein angesichts der Bedeutung, die der Kriegsverlauf für die europäische Sicherheit hat. Jetzt sollten die EU-Regierungen allerdings auch dafür sorgen, dass die zugesagte Unterstützung schnell in der Ukraine ankommt ohne monatelange Verzögerungen wie bei den letzten Hilfspaketen“, sagt Christoph Trebesch, Leiter des Teams, das den Ukraine Support Tracker erstellt, und Forschungszentrumsdirektor am IfW Kiel.
Die EU-Beschlüsse und Deutschlands neue Zusagen machen das Land inzwischen absolut gesehen zum größten Geber in Europa; es überholt nun erstmals Großbritannien und steht für Unterstützung im Wert von insgesamt 12,6 Mrd. Euro für die Ukraine (bilaterale und anteilige EU-Zusagen). In den vergangenen Wochen wurden von der Bundesregierung umfangreiche neue Waffen zugesagt und geliefert, hinzu kommen Winterausrüstung sowie Unterstützungsleistungen für die Cybersicherheit und die Aufklärung von Kriegsverbrechen.
„Auch hier wäre allerdings mehr Tempo wünschenswert. Angesichts der massiven russischen Luftangriffe auf die zivile Infrastruktur benötigt die Ukraine dringend Notstromaggregate, Transformatoren, aber auch neue Abwehrkapazitäten, um die Bevölkerung vor Kälte und langen Stromausfällen zu schützen. Doch wurde aus Deutschland von fünf zugesagten IRIS-T-Systemen zur Luftabwehr bisher erst eines geliefert. “
Insgesamt wurden der Ukraine im Oktober und November aus Europa und den USA zwölf weitere Luftabwehrsysteme zugesagt. 13 von insgesamt 31 versprochenen Systemen wurden im gleichen Zeitraum geliefert.
Um die Transparenz zur Datenqualität weiter zu erhöhen, weist der Ukraine Support Tracker nun auch aus, wie die Qualität der von den Geberländern bereitgestellten Daten quantitativ und qualitativ zu bewerten ist. Es zeigen sich erhebliche Unterschiede bei der Transparenz und Qualität der veröffentlichten Informationen zur Unterstützung der Ukraine. „Insgesamt ist die Qualität der bereitgestellten Daten über die Zeit gestiegen und für die meisten Länder inzwischen relativ hoch. Das erleichtert den Vergleich und erlaubt ein besseres Bild über die tatsächliche Unterstützung für die Ukraine. Aber von voller Transparenz sind wir noch sehr weit entfernt“, sagt Trebesch.
Über den Ukraine Support Tracker
Der Ukraine Support Tracker erfasst und quantifiziert militärische, finanzielle und humanitäre Hilfen, die der Ukraine seit dem 24. Januar 2022 (aktuell bis zum 20. November 2022) zugesagt wurden. Berücksichtigt sind 40 Länder, spezifisch die EU-Staaten, die weiteren Mitglieder der G7, Australien, Südkorea, Norwegen, Neuseeland, die Schweiz, die Türkei, China, Taiwan und Indien. Erfasst sind Zusagen, die Regierungen dieser Länder der ukrainischen Regierung gemacht haben; Hilfszusagen der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind separat aufgeführt; private Spenden oder solche internationaler Organisationen wie des IWF sind in der Hauptdatenbank nicht enthalten. Ebenso nicht mitgezählt sind Hilfen an Nachbarländer der Ukraine wie Moldawien oder andere Länder – etwa für die Aufnahme von Geflüchteten.
Datenquellen sind Bekanntgaben offizieller Regierungsstellen und Berichte internationaler Medien. In Sachmitteln geleistete Hilfe wie zum Beispiel Medizingüter, Lebensmittel oder militärisches Gerät werden anhand von Marktpreisen oder Angaben aus früheren Hilfskampagnen geschätzt. In Zweifelsfällen werden die höheren verfügbaren Werte angesetzt.