Böden sind ein relevanter Kohlenstoffspeicher. Sie richtig zu bewirtschaften kann diese Speicherfunktion stärken und so zum Klimaschutz beitragen. Eine klimaschädliche Bewirtschaftung kann aber auch dazu beitragen, dass Böden viel Kohlendioxid (CO2) freisetzen. Zudem führt die fortschreitende globale Erwärmung dazu, dass Böden weniger CO2 speichern können. Mehr noch können bei zu geringen Klimaschutzambitionen auch trotz klimafreundlicher Bewirtschaftungsmethoden die Böden vermehrt zur Quelle von CO2 werden. Dazu hat das Climate Service Center Germany (GERICS) am Helmholtz-Zentrum Hereon gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich (FZJ) eine Web-App als Prototypen entwickelt.
Wie würde sich der Kohlenstoffgehalt im Boden in Deutschland bis zum Jahr 2050 ändern, wenn man Ackerland ab sofort zu zehn Prozent in Grünland umwandeln würde? Welche Rolle spielt also die unterschiedliche Bewirtschaftung von Böden für den Klimaschutz? Und welche Rolle spielt der Klimawandel selbst für die Speicherung von CO2 im Boden? Antworten auf diese Fragen liefert jetzt die neue „Bodenkohlenstoff-App“. Sie veranschaulicht, dass Böden nicht nur Kohlenstoffspeicher, sondern je nach Bewirtschaftung auch Quellen von Treibhausgasemissionen sein können.
Eine fortschrittliche App
Im Rahmen des Projekts Netto-Null-2050, Cluster I der Helmholtz-Klima-Initiative, wurden dazu am FZJ bereits erste Simulationen mit einem Landoberflächenmodell umgesetzt, das die Ergebnisse von regionalen Klimamodellsimulationen des GERICS als Eingangsdaten nutzt. Ergebnisse dieser neuen Bodensimulationen sind nun in der prototypisch entwickelten Web-App verfügbar.
„Alle Nutzerinnen und Nutzer können sie in der Plattform interaktiv erkunden. Sie haben damit direkten Zugriff auf die Ergebnisse dieser neuen Forschungsarbeiten. Künftig sind weitere Modelle und Szenarien hinzuzufügen, um so die Spannbreite der möglichen Entwicklungen abzubilden“, sagt Hereon-Klimaforscherin Dr. Diana Rechid.
Die Bodensimulationen erstellten die Forschenden zunächst für zwei verschiedene Zukunftsszenarien bis 2050: Eines mit viel Klimaschutz und damit geringen globalen Treibhausgasemissionen, eines ohne Klimaschutz und damit sehr hohen globalen Emissionen. Dabei führten sie Simulationen sowohl mit herkömmlicher als auch mit alternativen Landbewirtschaftungsformen durch, so dass die Effekte mehrerer Bewirtschaftungsmethoden unter unterschiedlichen Klimawandelbedingungen betrachtet werden können. Als klimatische Eingangsdaten für die Bodensimulationen wurden bislang ausschließlich Daten eines ausgewählten regionalen Klimamodells verwendet. Um das künftige Spektrum an möglichen Klimaentwicklungen zu berücksichtigen, sind Bodensimulationen mit Eingangsdaten weiterer regionaler Klimamodelle nötig.
Ergebnisse, die für sich sprechen
„Durch Messungen und Prozessverständnis ist bekannt, dass die Bewirtschaftungsform den Kohlenstoffgehalt im Boden positiv beeinflussen kann. Beispielsweise stärkt die Umwandlung von Acker- zu Grünland die Speicherung von Kohlenstoff im Boden. Unsere Modellergebnisse bestätigen das, und die App macht diese Effekte und Zusammenhänge sichtbar“, sagt GERICS-Forscherin Dr. Tanja Blome. Sie zeigten aber auch, dass landwirtschaftlich genutzte Böden in Deutschland unter dem Klimawandel in der Bilanz Kohlenstoff verlieren, das heißt CO2 emittieren, und dass dieser Effekt umso größer ist, je stärker sich die Klimaerwärmung ausprägt.
Die Nutzung der Web-App bietet die Möglichkeit, die Bodenkohlenstoffmengen unter unterschiedlicher Bewirtschaftung für beide Klimaszenarien interaktiv zu erkunden. Filter ermöglichen verschiedene Kombinationen, etwa der Größen „Variable“, „Bewirtschaftung“ oder „Bodentiefe“. Entsprechend der ausgewählten Kombination gibt es Karten und Zeitreihen. Zudem lassen sich Parameter der zugrundeliegenden Klimamodellierung untersuchen.
Die Entwicklung des Tools erfolgte in enger Zusammenarbeit des GERICS mit dem Forschungszentrum Jülich: Die Weiterentwicklung des Landoberflächenmodells und die Simulationen der Bodenkohlenstoffvariablen haben Forschende am Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften – Agrosphäre (IBG-3) geleistet. Datenbank und Webservice als Schnittstellen zwischen den Modellergebnissen und der App sind am Jülich Supercomputing Centre (JSC) entwickelt und implementiert worden. Diese Schnittstellen sind innovative Weiterentwicklungen und bieten ein hohes Maß an Flexibilität und Interaktivität. Die Web-App selbst wurde am GERICS entworfen, die Konzepte wurden in enger Zusammenarbeit mit der Agentur Kopfarbyte weiterentwickelt und von Kopfarbyte technisch und gestalterisch umgesetzt.