„Kleine Moleküle wie Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid oder Kohlenmonoxid fallen häufig als Nebenprodukte großtechnischer Verfahren an oder sind aus nachwachsenden Rohstoffen einfach zugänglich“, erklärt Däschlein-Gessner. „Weil sie leicht verfügbar sind, sind sie als Synthesebausteine interessant, um zentrale Ausgangsstoffe oder komplexe Wirkstoffmoleküle zu gewinnen. Es ist ein besonders attraktiver Weg für die Entwicklung nachhaltiger Syntheseverfahren.“
Umsetzung ohne Übergangsmetalle
Um die kleinen Moleküle zu aktivieren und zu komplexeren Verbindungen umzusetzen, sind in der Regel bestimmte Metalle erforderlich, die aufgrund ihrer Position im Periodensystem als Übergangsmetalle bezeichnet werden – sie befinden sich in den Nebengruppen des Periodensystems. Häufig handelt es sich dabei um die wenig verfügbaren und teils auch giftigen Edelmetalle. Bis heute gibt es nur wenige Verbindungen der breit verfügbaren Hauptgruppenelemente, die in der Lage sind, kleine Moleküle zu aktivieren. Das gilt auch für Kohlenmonoxid. Außerdem sind Reaktionen mit CO als Baustein bislang wenig selektiv gewesen: Neben den gewünschten höherwertigen Verbindungen entstanden stets auch unerwünschte Nebenprodukte.
Die Forschenden vom Lehrstuhl für Anorganische Chemie II der Ruhr-Universität Bochum nutzten nun einfache Phosphorverbindungen, Ylide genannt, in Verbindung mit Natrium- oder Kaliumbasen. Diese ermöglichten eine bisher unbekannte übergangsmetallartige Reaktionsweise der Kohlenstoffverbindungen und damit den effizienten Einbau von CO in größere Moleküle – und das mit hoher Selektivität.
Wie im Baukastensystem
„Die Selektivität der Umsetzungen ist beeindruckend hoch, vor allem im Vergleich zu anderen Synthesemethoden“, resümiert Viktoria Däschlein-Gessner. „Das liegt an der Stabilität der Anionen, die auf ihre besondere elektronische Struktur zurückgeführt werden kann. Sie lassen sich gezielt mit weiteren Molekülen wie in einem Baukastensystem umsetzen, sodass man schnell unterschiedliche, komplexe Strukturen aufbauen kann.“
Das Reaktionsprinzip und das Potenzial der anionischen Ketene will die Bochumer Gruppe nun weiter untersuchen. „Die Reaktionsweise der Phosphorverbindungen ist wegweisend, um weitere Verfahren zu entwickeln, mit denen sich Synthesebausteine wie CO nutzen lassen“, sagt Däschlein-Gessner. „Wir sind uns außerdem sicher, dass die anionischen Ketene ein noch viel größeres Potenzial für die Synthesechemie besitzen, als wir jetzt schon zeigen konnten.“