Nicht abstrakte Ziele, sondern die Wege ihrer praktischen Umsetzung werden über den Erfolg einer nachhaltigen Gesellschaft in diesem Jahrhundert entscheiden. Damit die Transformation gelingt, muss die Politik konkrete Schritte mit den zentralen gesellschaftlichen Akteuren aushandeln. Auf der Grundlage gemeinsam erarbeiteter Handlungsoptionen sollte sie dann mehr Beteiligung ermöglichen, schreiben Jörg Radtke und Ortwin Renn vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) in dem Sammelband „Umkämpfte Zukunft. Zum Verhältnis von Nachhaltigkeit, Demokratie und Konflikt“.
Die Forscher geben einen umfassenden, kritischen Überblick zu „Stand und Perspektiven der Nachhaltigkeitspolitik“. Darin identifizieren sie zunächst ein grundlegendes Trilemma der Nachhaltigkeitstransformation, bestehend aus strukturell-materiellen Anpassungsproblemen, dem Erfordernis stärkerer Bürgerbeteiligung in knapp bemessener Zeit sowie fehlendem Konsens für die Dringlichkeit grundlegender Veränderungen. Sodann befassen sie sich mit Nachhaltigkeit im gesellschaftlichen Kontext anhand von vier analytischen Kategorien.
Bei den gängigen Narrativen der Nachhaltigkeit stellen sie eine Polarisierung zwischen zwei Extremen fest:
• Das eine Narrativ setzt auf Verhaltensänderungen wie ein Verbot von Inlandsflügen, Recycling-Verpflichtungen oder diverse Anreizprogramme für den nachhaltigen Umgang mit Waren.
• Dem anderen Narrativ zufolge sind technische Innovationen, von Smart Technologies bis hin zu Climate Engineering, der richtige Weg, um den Klimawandel einzudämmen.
„Konkurrierende Narrative sind nicht per se schädlich, aber sie können handlungslähmend wirken, wenn dadurch Uneinigkeit oder mangelnde Orientierung („nichts Genaues weiß man nicht“) transportiert werden“, schreiben Renn und Radtke. Die Energiewende-Akteure bemühten sich zu wenig um ein gemeinsames Narrativ des Klimaschutzes.
Gesellschaftlich umstritten ist auch, welche politischen Instrumente für die Umsetzung der geforderten Transformationen am besten geeignet sind. In der Diskussion spielen finanzielle Hebel- und Ansatzpunkte eine zentrale Rolle. Die Bereitschaft für eine weitreichende Transformation könne aber weder durch den Markt noch durch Verordnungspolitik allein erzeugt werden, so die Forscher. Sie müsse vielmehr „aus dem Inneren des gesellschaftlichen Diskurses erwachsen“. Die Tragweite der durch den Klimawandel verursachten Schäden sei noch nicht hinreichend im Bewusstsein von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft verankert.
Die Bedeutung einer intensiven Kooperation mit den zentralen Akteuren sowie von innovativen Beteiligungsformen wie den Bürgerräten ist laut Radtke und Renn in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Bevölkerung nehme die vielen Beteiligungsverfahren allerdings als „Orchester ohne Dirigent:in“ wahr. Tatsächlich sei ein zentral gesteuertes Konzept aufgrund der Komplexität der Nachhaltigkeitstransformation keine realistische Vorstellung. Möglich sei es allerdings, mit Hilfe von Aushandlungsprozessen, Runden Tischen und Bürgerräten Querverbindungen herzustellen, Schnittmengen zu identifizieren, Empfehlungen vorzubereiten und Harmonisierungs- und Vermittlungsprozesse in Gang zu setzen.
Dafür müssten Politik und Interessengruppen einen stärkeren Fokus auf die Prozessdimension, die Aushandlung von Maßnahmen, legen. Denn letztlich seien es nicht abstrakte Ziele, sondern die zu ihrer Erreichung gewählten Wege, die über die Realisierung und Ausgestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft in diesem Jahrhundert entscheiden werden.