Das Essen von Wildtierfleisch gilt als einer der großen Risikofaktoren für das Ausbrechen von sogenannten Zoonosen, also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen überspringen. Doch welche ökonomischen Zwänge und kulturellen Normen prägen den Wildtierkonsum? Und lässt sich dieser Konsum Richtung weniger risikoreichen Verhaltens steuern? Diesen Fragen widmet sich ein internationales Konsortium aus zwölf Forschungseinrichtungen in fünf Ländern. Federführend koordinieren die Marburger Umweltökonomen Prof. Dr. Björn Vollan und der Postdoc Dr. Ivo Steimanis das Projekt „Behavior Change“, das von der Volkswagen Stiftung mit insgesamt 1,5 Millionen Euro gefördert wird.
Wildtierfleisch ist ein essenzielles Nahrungsmittel in den betrachteten afrikanischen Staaten Elfenbeinküste und Liberia. Die Speisekarte reicht dabei von großen Nagetieren über Antilopen und Affen bis hin zu Elefanten, etwa in den Spezialitätenrestaurants der Küstenmetropole Abidjan, berichtet Ivo Steimanis. In der Wildnis gejagt, gelangt das Fleisch direkt über die Jäger oder Zwischenhändler aus ländlicher Gegend bis in die Städte, wo Wildfleisch als ein Statussymbol gilt und hoch gehandelt wird. „Wir wollen entlang dieses Gradienten die kontext-spezifischen sozial-ökologischen Gegebenheiten untersuchen“, sagt Björn Vollan. Auf dem Land hingegen, wo Armut herrscht, ist Wild einfach eine wichtige Proteinquelle und notwendig für die Ernährung.
Die Forschenden wollen in einem ersten Schritt herausfinden, welche persönlichen Merkmale, kulturellen Normen und ökonomische Faktoren die Jagd, den Handel und vor allem den Konsum von Fleisch prägen. Dazu soll im Rahmen des Projektes in der Elfenbeinküste und in Liberia mit sogenannten „Maquis“ – das sind kleine, oft informelle Restaurants – zusammengearbeitet werden. Diese Maquis sollen als Reallabor genutzt werden, um mögliche Alternativen zum Wildfleisch in Kombination mit Verhaltensintervention zu testen und den Wildfleischkonsum zu reduzieren.
Der Biologe Dr. Hjalmar Kühl vom Senckenberg-Museum in Halle erstellt zunächst eine Bestandsaufnahme: Wie ist der Zustand der Ökosyteme? Welche Arten kommen konkret vor? Und was wird gejagt und konsumiert? „Bekannt ist, dass mit der Zerstörung und Verkleinerung von Ökosystemen auch das Risiko für Zoonosen steigt“, sagt Björn Vollan.
Die Datenerhebungen werden in Kooperation mit lokalen Forschungsassistenten und Studierenden gemacht, wo die Forschenden aus dem Senegal (Veterinärmedizinerin Dr. Andrée Prisca Ndour) und der Elfenbeinküste (Anthropologe Dr. Gilbert Fokou und Biologe Dr. Celestin Kouakou) eine leitende Rolle einnehmen werden. Die Forschenden wollen dabei herausarbeiten, wie sich die Konsumgewohnheiten von ländlichen Gebieten hin zu den Städten verschieben und ob sich potenziell gefährliche Corona-, Filo-, oder Hantaviren im Fleisch befinden.
In einem zweiten Schritt will das Konsortium untersuchen, wie sich die Konsumgewohnheiten durch Interventionen ändern lassen, um das Risiko für neue Zoonosen zu mindern. „Doch da stehen wir noch am Anfang. Die Interventionen sollen basierend auf den Voruntersuchungen, transdisziplinär mit den verschiedenen Stakeholdern vor Ort gemeinsam entschieden werden“, sagt Björn Vollan. Interventionen könnten beispielsweise in Aufklärung und Information zu den Risiken liegen, oder in alternativen Lieferketten, in denen Fleisch von Zuchttieren den Wildtierkonsum ersetzt. Das Fleisch von Zuchttieren weist eine geringere Belastung mit fremden Krankheitserregern auf.
Vorstellen können sich die Forschenden auch sogenannte „Blind Tastings“ von Gerichten mit echtem und gezüchtetem „Wildfleisch“, um weitverbreitete Vorbehalte gegenüber gezüchtetem Wild abzubauen. Auch das Potenzial von Rabattaktionen zur Konsumsteuerung können sich die Forschenden vorstellen. Die Ausarbeitung der Intervention erfolgt dann in Workshops mit allen Beteiligten – Forschende, Restaurantbesitzern und Konsumenten.