Die Kunststoffe Polyurethan und Polyvinylalkohol können mit Hilfe von Enzymen als Biokatalysatoren unter milden Bedingungen abgebaut werden. Ein Team der Universität Greifswald hat zusammen mit dem deutschen Unternehmen Covestro und Teams aus Leipzig und Irland zwei neue Verfahren dafür entwickelt. Somit wurde die Voraussetzung geschaffen, beide Kunststoffe ressourcenschonend zu verwerten und umweltfreundliche Verfahren zu deren Recycling zu entwickeln, um das weltweite Problem des Plastikmülls für diese beiden industriell in großen Mengen hergestellten synthetischen Polymere zu verringern.
Kunststoffe sind aktuell noch unentbehrlich für die Herstellung von Baumaterialien, elektrischen Isolierungen, Getränke- und Lebensmittelverpackungen, Textilien und vielen weiteren Anwendungen. Leider hat die Massenproduktion von Plastik, vor allem für Verpackungen, weltweit zu einer enormen Plastikverschmutzung unserer Umwelt geführt. Die beiden Kunststoffe Polyurethan und Polyvinylalkohol machen rund acht Prozent der Kunststoffproduktion in Europa aus.
Seit einigen Jahren wird intensiv an Methoden geforscht, die ein umweltfreundliches Recycling von Kunststoffen ermöglichen. Dieses würde nicht nur die Umwelt entlasten, sondern es wäre weniger Erdöl zur erneuten Herstellung von Plastik notwendig. Zudem würde erheblich weniger Treibhausgas CO2 emittiert werden, da auf eine Verbrennung des Kunststoffabfalls in Müllverbrennungsanlagen verzichtet werden kann.
Polyurethane (PUR) werden zur Herstellung von Matratzen, Dämmstoffen, Thermoplasten (z. B. für Sportschuhe) und für Beschichtungen (Dichtungsmittel, Farben und Klebstoffe) verwendet. Für diese Stoffe gibt es bereits grundlegende chemische Verfahren, um diese abzubauen. Sie erfordern jedoch einen erheblichen Energieeinsatz, da hohe Temperaturen und Drücke nötig sind.
Biotechnologische Verfahren unter Einsatz von Mikroorganismen oder Enzymen als natürliche Biokatalysatoren sind eine Alternative, da diese bei moderaten Temperaturen bis ca. 40 °C und ohne Einsatz chemischer Reagenzien den Abbau der Plastikmoleküle und vor allem ein Recycling, also die Gewinnung der Bausteine zur Herstellung neuer Kunststoffe ermöglichen.
Das Team von Prof. Dr. Uwe Bornscheuer vom Institut für Biochemie der Universität Greifswald hat nun zusammen mit Wissenschaftlern der Firma Covestro in Leverkusen genau die Enzyme identifiziert, die nach einer chemischen Vorbehandlung in der Lage sind, Polyurethane in seine Bausteine zu zerlegen.
„Die Suche nach diesen speziellen Biokatalysatoren war sehr aufwendig und wir mussten ca. zwei Millionen Kandidaten durchmustern, um die ersten drei Enzyme zu finden, die nachweislich in der Lage sind, die spezielle Bindung in Polyurethan aufzubrechen“, beschreibt Doktorand Yannick Branson (Universität Greifswald) die Herausforderung dieses Projekts.
„Mit dieser bahnbrechenden Entdeckung haben wir nun die Voraussetzung geschaffen, diese Biokatalysatoren durch Methoden des Protein-Engineerings weiter zu verbessern, um sie für ein industrielles Recycling von Polyurethan maßschneidern zu können“, führt Prof. Dr. Uwe Bornscheuer (Universität Greifswald) weiter aus. „Mit Hilfe der neu identifizierten Enzyme kommen wir unserem Ziel einer vollständigen Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie ein Stück näher“, ergänzt Dr. Gernot Jäger, der das Kompetenzzentrum für Biotechnologie der Covestro (Leverkusen) leitet.
Polyvinylalkohole (PVA) haben vielseitige Eigenschaften und werden ebenfalls breit eingesetzt, z. B. bei der Beschichtung von Fasern und als Folien für Verpackungen. Für den Abbau von PVA gab es bislang ebenfalls keine ausgereiften Verfahren. Hier konnten die Forscher*innen um Professor Bornscheuer zusammen mit einem Polymerexperten des University College Dublin (Irland) und Wissenschaftler*innen aus Leipzig ebenfalls die Grundlagen für ein biotechnologisches Verfahren entwickeln. Der Abbau von PVA konnte hier durch die geschickte Kombination von drei verschiedenen Enzymen erzielt werden, die nach und nach das Polymer so verändern, bis Bruchstücke entstehen, die stofflich verwertet werden können.
Auch wenn die jetzt veröffentlichten Erkenntnisse einen wichtigen Durchbruch darstellen, wird es voraussichtlich noch einige Jahre dauern, bis ein Industrieverfahren ausgereift ist, mit dem ein großtechnisches Recycling dieses Plastikmülls möglich sein wird.