Tagungsreihe „Landnutzung im Klimawandel“

An Landschaften werden vielfältige Anforderungen gestellt. Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann

Die Landschaft steht von vielen Seiten unter Druck: In ihr sollen Lebensmittel produziert, Energie erzeugt werden – und parallel soll sie der Erholung und der Freizeit dienen, die Corona-Pandemie hat es gezeigt. Es gelingt nicht, dem grassierenden Flächenverbrauch Einhalt zu bieten: Mit Wohnbebauung und der Ausweisung von Gewerbeflächen wollen Kommunen ihre demografische und ökonomische Zukunft sichern.

Auch der Kampf um die Biodiversität findet in der Landschaft und ihrer Bewirtschaftung statt. Zudem gilt es, sich auf Extremwetterereignisse im Zuge des Klimawandels einzustellen – die Landschaft soll als Puffer dienen, Wassermengen aufnehmen und zurückhalten können. Die Wiedervernässung von Mooren wiederum gilt als wichtiger Beitrag zur CO2 Speicherung. Wie mit diesen widersprüchlichen Zielen der Landnutzung umgehen?

Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften engagiert sich

Diesen Fragen stellt sich die Tagungsreihe „Landnutzung im Klimawandel“ (LAIK) des Wissenschaftlichen Kuratoriums der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum. Mit dem Vorbereitungsquartett, bestehend aus Sören Schöbel-Rutschmann (TUM München), Theresia Wintergerst (THWS), Klaus Fackler (Landschaftspflegeverband Mittelfranken, LPV) und Christine Brandmeier (Bioland Deutschland).

Bei der Eröffnungstagung wurde ein wichtiges Landschaftsgestaltungsprinzip immer wieder angemahnt: Die „Rauigkeit“ der Landschaft solle verstärkt werden. Damit sei eine Landschaft gemeint, die abwechslungsreich ist, in denen es Hecken, Feldraine und Baumgruppen vielen verschiedenen Arten Lebensraum gebe. Obwohl es mittlerweile Kulturlandschaftsprogramme gibt, die kleinräumige Landschaftsstrukturen fördern, entwickelte sich die Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten insgesamt in die entgegengesetzte Richtung.

Flurbereinigung und Agrarwissenschaft hatten wenig Bewusstsein für die negativen Folgen von Vergrößerung, Zusammenlegung und Homogenisierung der bewirtschafteten Flächen. Dies räumte der Agrarwissenschaftler Alois Heißenhuber ein und zeigte, wie dies zu einer Verarmung der Arten führte und weiterhin führt. Die gesellschaftliche Erwartung an Landwirtschaft jedoch habe sich mittlerweile geändert. Industrielle Landwirtschaft werde abgelehnt, und es gebe mehr Aufmerksamkeit für das Tierwohl.

Heißenhuber konstatiert eine gesellschaftliche Dauerkontroverse, die nicht auf dem Rücken der Landwirtinnen und Landwirte ausgetragen werden dürfe. Diese sähen sich vor folgendem Dilemma: Erzeugen sie so, wie es sich ein Großteil der Bevölkerung vorstellt, dann haben sie auf dem Markt schlechte Karten. Erzeugen sie hingegen so, wie es derzeit vom Markt honoriert werde, dann bekämen sie nicht die Akzeptanz und Wertschätzung der Bevölkerung.

Gesellschaftlicher Diskus über Landschaftsgestaltung

Es brauche einen gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie Land gestaltet werden sollte und wie die damit verbundenen Aufgaben honoriert werden. Billige Lebensmittel dürften nicht, wie bislang, als Ersatz für Sozialpolitik herhalten, denn die Kosten der so erzeugten Produkte seien enorm und müssten von allen getragen werden. Heißenhuber forderte auf, nicht nur die nationale Perspektive einzunehmen. Es brauche Fairness entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Eine Konzentration auf den Ausbau der biologischen Landwirtschaft hält er dabei nicht für zielführend. Denn selbst, wenn das selbst gesteckte Ziel von 30 Prozent biologisch bewirtschafteter Fläche in Bayern erreicht werde, was sei dann mit den anderen 70 Prozent? Die gesamte Landwirtschaft müsse ökologisiert werden. Er schloss mit einer Vision: „Jeder Mensch hat das Recht, dass ihm nur solche Waren und Dienstleistungen angeboten werden, die unter Wahrung der universellen Menschenrechte und des Schutzes der natürlichen Ressourcen hergestellt werden.“

Internationale Perspektive auf ländlichen Raum

Die internationale Perspektive auf den ländlichen Raum kennt auch die Kulturanthropologin Laura McAdam-Otto, die im Herbst an der Universität Würzburg eine Professur zur Anthropologie des ländlichen Raums antritt. Sie untersucht u.a., wie Menschen auf dem Land mit Herausforderungen umgehen und wie sie sich mit ihrer natürlichen Umwelt verbinden. So forschte sie zur Ankunft von jungen Geflüchteten in Malta und wie die Menschen, die an den Küsten Mexikos wohnen, mit der Zunahme von giftigen Algen umgehen. Nach dem Antritt ihrer Professur will sie sich intensiver mit der Teichwirtschaft in Bayern auseinandersetzen.

Zur historischen Wirtschaftsgenossenschaft „Gmain“

Wie Menschen sich und den ländlichen Raum organisieren, untersucht der Historiker Martin Ott vom Institut für Fränkische Landesgeschichte: In seinem Impuls verwies er auf die Rolle der „Gmain“. Die Gmain war eine Wirtschaftsgenossenschaft, in der die gemeinsame Nutzung von Wald und Weide geregelt wurde. Im Zusammenspiel mit der fürstlichen Macht, die ein mehr oder weniger gewichtiges Wort mitzureden hatte, und der Gemeinde vor Ort wurden Ordnungen ausgehandelt. Dazu gehörten Sanktionen, die vereinbart wurden, wenn sich jemand nicht an diese hielt. So ergab sich eine Selbstverpflichtung für die Landschaftsgestaltung.

Unter der Überschrift: „Tragik des Pachtlandes“ griff das Vorbereitungsteam die Frage auf, ob Pachtende weniger Interesse an einer ressourcenschonenden Landbewirtschaftung haben, weil sie nicht Eigentümer sind? Ohne diese These pauschal zu bestätigen, forderte Lioba Degenfelder von der Organisation „Ackerwert“, die Verpachtenden „von der Ersatzbank zu holen“. Sie sollten sich ihrer Verantwortung – wie auch ihrer Gestaltungsspielräume – für die Landnutzung bewusst sein. Lioba Degenfelder berät Verpachtende, die ein Interesse an einer nachhaltigen Bewirtschaftung ihres Pachtlandes haben.

Dabei unterscheidet sie zwei Gruppen, die diese Beratung in Anspruch nehmen: Zu beiden Gruppen gehören mehrheitlich Frauen. Zur einen Gruppe gehörten eher jüngere Eigentümerinnen und Eigentümer, die oftmals von dem Land, das sie besitzen, entfremdet seien, nicht selten gar nichts Genaues darüber wüssten, aber ein Interesse an einer ökologischen Nutzung hätten. Zur anderen Gruppe zählte sie ältere Menschen, die als Landwirtinnen oder Landwirte gearbeitet hätten, mit ihrem Boden verbunden seien und sich nach der Verpachtung eine nachhaltige Nutzung wünschten. Dabei seien Veränderungen von Pachtverhältnissen oft heikel, denn diese spiegelten soziale Verstrickungsverhältnisse. In der feinfühligen Beratung von Pachtenden und Verpachtenden ließen sich oft gute Lösungen im Sinne der Bodenqualität finden.

Matthias Kiefer, Umweltbeauftragter der Erzdiözese München und Freising, zeigt auf, dass es in der katholischen Kirche als große Verpächterin zwar Handlungsempfehlungen gibt, Kirchenland nachhaltig zu bewirtschaften. Die verstärkte ökologische Nutzung des Landes werde jedoch durch Beharrungskräfte gebremst. Finanzielle Interessen, gerade in Zeiten von vermehrten Kirchenaustritten und eine mangelnde personelle Ausstattung zur Verwaltung der Verpachtungsprozesse, verstärkten dies zusätzlich.

Die Eröffnungstagung zur Tagungsreihe „Landnutzung im Klimawandel“ (LAIK) zeigte die Herausforderungen der Landnutzung im Klimawandel auf. Es stelle sich die Frage, wie verschiedene Landnutzungen kombiniert werden könnten, etwa Landwirtschaft und Energieproduktion. Insgesamt stelle sich die Frage, wie die Verbundenheit der Menschen mit ihrer Landschaft gestärkt werden könne, um die soziale Energie zu generieren, den Pfadwechsel hin zu einer nachhaltigen Landnutzung zu finden.