Auf der Suche nach technischen Möglichkeiten elektrisch unterstützte Fahrräder und Lastenräder effizienter zu nutzen, untersuchten Forschern der Technischen Universität Braunschweig verschiedene Subsysteme des Produkt-Service-Systems E-Cargobike. Ziel war es, technische Lösungen und Konzepte in den Feldern „Geschäftsmodell“, „Batterie“, „App und Service“ sowie „Recycling“ zu erarbeiten. Gemeinsam mit ihren Forschungspartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft stellten sie nun ihre Ergebnisse auf der Abschlussveranstaltung des Verbundprojekts „LifeCycling²“ im Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) Braunschweig vor.
Keine Abgase, weniger Lärm: Lieferketten, in denen anstatt des Autos ein Elektro-Lastenrad die ‚letzte Meile‘ übernimmt, sind eine vielversprechende Alternative auf dem Weg zu einer emissionsfreien Mobilität in Städten. Doch wie lange hält der Akku? Kann ich die Lebensdauer beeinflussen? Und was passiert mit dem Fahrrad, wenn der Akku sein Lebensende erreicht hat? Mit diesen Fragen hat sich ein Forschungsteam der TU Braunschweig und TU Clausthal zusammen mit Fahrradherstellern, Softwareentwicklern und Dienstleistern der Fahrradbranche im Verbundprojekt „Life Cycling²“ in den vergangenen dreieinhalb Jahren beschäftigt.
„Um möglichst ganzheitliche Produkt-Service-Systeme zu erarbeiten, haben wir nicht nur die Gesamtsystemebene, sondern auch die Komponenten- und Materialebene betrachtet. Ansätze wie Wieder- und Weiterverwendung, die Schließung von Produktkreisläufen und Second-Life-Einsätze wurden dabei miteinander kombiniert, um Konzepte für die ressourceneffiziente Nutzung von E-Cargobikes über den gesamten Lebenszyklus zu entwickeln“, erläutert Prof. Thomas Vietor, Leiter des Instituts für Konstruktionstechnik an der Technischen Universität Braunschweig.
Von Tausch-Akkus bis Apps: Mehr Reichweite und höhere Auslastung möglich
Im Fokus standen insbesondere die Subsysteme „Geschäftsmodell“, „Batterie“, „App und Service“ und „Recycling“. Ziel war es, zum einen die Nutzungsintensität zu steigern und zum anderen die Nutzungsdauer zu verlängern. Um die Akzeptanz der verschiedenen Maßnahmen in verschiedenen Pilotprojekten zu erfassen, wurden die einzelnen Schritte durch eine Begleitforschung unterstützt.
Die Forschenden haben im Verbundprojekt Profile und sogenannte User Stories möglicher Nutzern anhand der Persona-Methode entwickelt, die verschiedene Nutzergruppen und vor allem verschiedene Use Cases abzudecken. Im weiteren Verlauf wurden kunden- und anwendernahe Business Cases wie das private Leasing, das gewerbliche Leasing (z.B. durch Handwerksbetriebe), Sharing u.v.m. aufgebaut und miteinander verglichen.
Um das E-Cargobike möglichst vielen privaten und öffentlichen Nutzern zugänglich zu machen, wurde die App „Circles Reallabor-DCE“ prototypisch aufgebaut und final umgesetzt. Diese App ermöglicht es, die Auslastung des Lastenfahrrads deutlich zu erhöhen, indem eine Buchung flexibel und jeden Tag rund um die Uhr möglich ist. Um zusätzlich auch die Reichweite zu erhöhen, wurde gemeinsam mit Stöbich technology GmbH das Konzept eines „sicheren Ladeschranks“ entwickelt. Nach dem Prinzip „Tausche leer gegen vollgeladen“ können Nutzer ihre Batterien an festgelegten Orten austauschen und so die täglich zurückgelegte Strecke deutlich steigern.
Analyse entsorgter Batteriesysteme
Zur Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus werden eine Menge wertvoller Rohstoffe benötigt, die allerdings bisher nur selten der Kreislaufwirtschaft wieder zugeführt werden. Die Forschenden haben sich daher auch mit der Fragestellung beschäftigt, wie Konzepte aussehen, um einzelne Komponenten zu recyceln oder in Zweitnutzungen zu überführen.
Über den Projektpartner ElectroCycling GmbH konnten entsorgte E-Bike-Batterien gesammelt werden. „Uns hat neben der Frage, in welchem Zustand sich die entsorgten Batteriesysteme befanden, vor allem deren Aufbau interessiert. Eine zerstörungsfreie Öffnung ist die Grundvoraussetzung, um die entnommenen Zellen einzeln zu prüfen und das Batteriesystem aufzubereiten“, sagt Bastian Nolte, Projektverantwortlicher und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Konstruktionstechnik.
Dabei ergab die Analyse der Altbatterien, dass sich die einzelnen Zellen zunächst nicht zerstörungsfrei entnehmen lassen. „Dies führt aktuell dazu, dass in der Regel ganze Batteriesysteme wegen einzelner, defekter Zellen außer Betrieb genommen werden. Das ist weder nachhaltig noch kosteneffizient“, so Nolte.
Auf der Suche nach Verfahren, um defekte Zellen von ausrangierten Akkus zu entnehmen bzw. das Gesamtsystem in eine Zweitnutzung zu überführen, haben die Forschenden zwei verschiedene Prototypen eines Batteriesystems entwickelt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Batteriesystemen, die in der Regel verschweißt oder verklebt sind, wird hier auf lösbare Verbindungen und spezielle Mechanismen zurückgegriffen, um Zellen zerstörungsfrei aus dem Batteriesystem zu entnehmen.
Die beiden Prototypen unterscheiden sich allerdings hinsichtlich Anzahl gebrauchter und neuer Batteriezellen und Abmessungen. Um vergleichbare Maße zu OEM-Batteriesystemen zu gewährleisten, müssen defekte durch neuwertige Zellen ausgetauscht werden. Daher entwickelten die Forschenden einen zweiten, größeren Prototyp, in dem gebrauchte Zellen als Ersatz genutzt und ohne größeren Aufwand zusammengefügt werden könnten, um die Kapazität von Batterien in Erstnutzung zu erreichen. Dadurch gelang es den Forschenden die Lebensdauer von Batteriesystem im Sinne des Second-Life-Ansatzes deutlich zu verlängern.
Zum Verbundprojekt LifeCycling²
An dem Forschungsprojekt beteiligt sind neben dem Institut für Konstruktionstechnik der TU Braunschweig auch das Institut für Sozialwissenschaften der TU Braunschweig mit Prof. Dr. Dirk Konietzka, das Institut für Software Systems Engineering der TU Clausthal mit Prof. Dr.-Ing. Andreas Rausch sowie die vier Industriepartner baron mobility service GmbH (Oldenburg), ceconsoft GmbH (Goslar), Stöbich technology GmbH (Goslar) und ElectroCycling GmbH (Goslar). Das Projekt wurde über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren mit einer Gesamtsumme von 2,5 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmenprogramm FONA (Forschung für Nachhaltigkeit) durch die Fördermaßnahme ReziProK (Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – Innovative Produktkreisläufe) gefördert.