Sie heißen Riesen-Bärenklau, Japanischer Staudenknöterich oder Ambrosia und haben eines gemeinsam: Sie sind invasive Pflanzenarten, die bereits vor vielen Jahren ihren Weg nach Deutschland gefunden haben und andere Pflanzenarten zunehmend verdrängen. Viele von ihnen haben ihren potenziell geeigneten Lebensraum noch gar nicht erreicht. Das haben Geographen der Universität Leipzig in einer aktuellen Simulationsstudie ermittelt. Dabei koppelten sie verschiedene Datensätze, um die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten ausgewählter invasiver Pflanzenarten für jeden Ort in Deutschland vorhersagen zu können.
Die Ergebnisse wurden im International Journal of Applied Earth Observation and Geoinformation veröffentlicht und werden in einem Online-Portal Verwendung finden, mit dem das Monitoring dieser Arten für Anwendern möglich sein wird.
Eigentlich könnte man Ambrosia artemisiifolia als mehr oder weniger lästiges Ackerunkraut abtun. Die Pflanzenart wanderte vor rund 150 Jahren aus Nordamerika ein und dürfte vielen Allergikern ein Begriff sein. Denn Ambrosia ist hochallergen, schon geringe Mengen ihrer Pollen können heftige Reaktionen hervorrufen. Außerdem gefährdet das zum Teil massenhafte Auftreten von Ambrosia landwirtschaftliche Kulturen. Die Pflanze bevorzugt warme und trockene Standorte und wird sich in den kommenden Jahren unter anderem in den heißen und trockenen Regionen Sachsens, Südbrandenburgs und am Oberrheingraben noch weiter ausbreiten.
Szenarien für aktuelle und zukünftige Klimabedingungen erstellt
Das ist ein Ergebnis der Untersuchung von Fabian Sittaro, Doktorand am Institut für Geographie der Universität Leipzig. Ziel seiner Studie war es, geeignete Lebensräume für wichtige invasive Pflanzenarten in Deutschland unter aktuellen und zukünftigen Klimabedingungen bis ins Jahr 2080 zu bewerten. Dazu hat der 33-Jährige in seiner Doktorarbeit insgesamt 46 invasive Pflanzenarten untersucht, die sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Ausbreitung befinden.
„Ich habe ganz Deutschland fernerkundlich mithilfe von Satellitenbilddaten in Quadranten eingeteilt. Für jeden dieser Quadranten wurden die Umweltdaten ermittelt, also Angaben zu Bodentyp, Landnutzung, Klima- und Höhendaten, Angaben zu Infrastruktur und bereits vorhandenen Pflanzengesellschaften“, erläutert Fabian Sittaro das methodische Vorgehen.
Aus diesen Daten wurde mithilfe verschiedener Verfahren des Maschinellen Lernens errechnet, ob sich die jeweilige Art in den definierten Quadranten und somit in bestimmten Teilen Deutschlands wird ausbreiten können. Diese Szenarien sind für aktuelle und künftige Klimabedingungen bis zum Jahr 2080 erstellt worden. Die verwendeten Verbreitungsdaten stammen aus der FlorKart-Datenbank zur floristischen Kartierung Deutschlands und dem Natura2000-Netzwerk zu Naturschutzflächen in Europa.
Klimawandel begünstigt Ausbreitung invasiver Arten weiter
„Die Studie zeigt, dass die zukünftigen Klimabedingungen darüber entscheiden werden, welchen Lebensraum die einzelnen Arten einnehmen beziehungsweise beanspruchen können“, sagt Prof. Dr. Michael Vohland, Professor für Geographie mit den Schwerpunkten Geoinformatik und Fernerkundung an der Universität Leipzig und Betreuer der Dissertation.
„Den invasiven Pflanzenarten wird ein größerer, potenziell geeigneter Lebensraum zur Verfügung stehen, denn viele von ihnen kommen aus Regionen mit trockenen und warmen Klimabedingungen.“
Selbst unter den aktuellen Klimabedingungen haben die meisten der untersuchten Arten ihren potenziellen Lebensraum noch nicht erreicht. Hohes Ausbreitungspotenzial weisen städtische Ballungsräume und Gebiete mit guter Verkehrsinfrastruktur auf. Die Studie liefert wichtige Hinweise, um auf der Basis eines Monitorings Schutz- beziehungsweise Bekämpfungsmaßnahmen zielgerichtet einsetzen zu können. Aktuell arbeitet Fabian Sittaro, der für seine Dissertation ein Stipendium von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) erhielt, an einer Web-Anwendung. Diese soll neben Informationen zu den invasiven Pflanzenarten auch Karten mit aktuellen und prognostizierten Ausbreitungsarealen bieten und zum Ende des Jahres 2023 abrufbar sein.