Am Wochenende einigten sich die Vereinten Nationen auf das erste internationale Abkommen zum Schutz der Hohen See. Seit mehr als 10 Jahren hatten die UN-Mitgliedstaaten über eine solche Vereinbarung zum Schutz der Biodiversität auf der Hohen See (Marine Biodiversity of Areas Beyond National Jurisdiction – BBNJ) verhandelt. Raimund Bleischwitz, Nachhaltigkeitsforscher und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen, sieht die gestrige Einigung als „äußerst wichtigen und längst überfälligen Schritt zum Schutz der Artenvielfalt in den Meeren“.
„Die Entscheidung für ein internationales Meeresschutzabkommen ist ein echter Durchbruch in schwierigen geopolitischen Zeiten“, erklärt Bleischwitz. „Im Rahmen des Abkommens sollen zukünftig 30% der Meere und Ozeane als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Das ist ein großer Erfolg für die Umsetzung des erst kürzlich auf der Weltnaturkonferenz in Montreal vereinbarten 30×30-Ziels der Vereinten Nationen.“
Ein wichtiger Bestandteil des Abkommens sind Verfahren, mit denen wirtschaftliche Vorhaben, Expeditionen und andere Aktivitäten in den Meeren auf ihre Umweltverträglichkeit hin geprüft werden sollen.
„Ich halte dies für eine sehr positive Entwicklung. Bisher galt die Hohe See – und damit zwei Drittel der Ozeane – als Wilder Westen der Meere“, sagt Bleischwitz. „In Zukunft werden sich alle Akteure auf den Weltmeeren bei ihren Projekten an Umweltkriterien halten müssen – in der Fischerei oder beim Tiefseebergbau ebenso wie bei Forschungsvorhaben auf Hoher See.“
Bleischwitz begrüßt den Fortschritt bei der strittigen Frage, wie Gewinne und Vorteile aus der Nutzung genetischer Meeresressourcen zwischen Globalem Norden und Globalem Süden aufgeteilt werden sollen. „Die zugesagten Beteiligungen und Kompensationen für die Länder des Globalen Südens gehen in eine gute Richtung, so etwa der geplante Fonds, der auch Erlöse von Unternehmen beinhalten soll, die Gewinne mit der Nutzung von marinem Erbgut erzielen“, meint der Bremer Nachhaltigkeitsforscher.
Schwierigkeiten sieht er bei der Umsetzung des Abkommens: „Es bleibt noch viel zu tun, um die genauen Rahmenbedingungen für marine Projekte festzulegen, aber auch deren Einhaltung sicher zu stellen“, so Bleischwitz. „Dazu braucht es auch eine begleitende Forschung zu Standards, zur vergleichenden Umsetzung und zu Verbesserungsmöglichkeiten.“
Positive Signale für den Meeresschutz gab es kürzlich auch im Zuge der „Our Oceans“-Konferenz in Panama. Zahlreiche Regierungen haben insgesamt 19 Milliarden Dollar für den Schutz der Weltmeere zugesagt. Sechs Milliarden kommen von den USA, die Europäische Union machte eine Zusage für 816,5 Millionen Euro. Großbritannien will 24 Millionen britische Pfund in den „Global Fund for Coral Reefs“ sowie private Beteiligungsfonds einzahlen.
In Australien gab die Regierung vor kurzem Pläne bekannt, die Größe des Schutzgebietes des „Macquarie Island Marine Parks“ zu verdreifachen. So will man die gesamte Ausschließliche Wirtschaftszone um die zwischen Neuseeland und der Antarktis gelegene Insel im Südwest-Pazifik schützen. Mit der zusätzlichen Fläche – doppelt so groß wie der australische Bundesstaat Victoria und größer als Deutschland – würden die Meeresparks 48,2 % der australischen Ozeane einnehmen, so die australische Regierung.
Derweil verstärkt Deutschland sein Engagement für die UN-Dekade als neuestes Mitglied der Ozeandekade-Allianz, einer Gruppe von Institutionen, die sich im Rahmen der UN-Dekade „Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung“ für die weltweiten Bemühungen zur Mobilisierung von Ressourcen für die Meeresforschung einsetzt.
Raimund Bleischwitz ist hoffnungsvoll gestimmt ob der aktuellen Fortschritte auf nationaler und internationalen Ebene: „Uns erreichen selten so viele gute Nachrichten für den Umweltschutz in so kurzer Zeit, daher sollte man einen Moment innehalten und dies auf sich wirken lassen“, so der Wirtschaftswissenschaftler.
„Auch wenn es noch viele Hürden im Kampf gegen den Klimawandel und das Erreichen des 1,5 Grad-Ziels gibt, sehe ich durchaus positiv in die Zukunft. Die neuen Vereinbarungen bieten gute Voraussetzungen, um in Zukunft einen Weltozeanrat (International Panel on Ocean Sustainability – IPOS) einzurichten, wie er bereits von einigen einflussreichen Stakeholdern in der Forschungsgemeinschaft gefordert wird“, sagt der ZMT-Direktor.
„Wünschenswert wäre es, mittelfristig im Einklang mit dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung zu Globalen Umweltveränderungen (WBGU) auch eine World Ocean Organisation bestehend aus Regierungsvertretungen und wichtigen Stakeholdern einschließlich Umweltverbänden zu bilden, um nachhaltige Prinzipien der Meeres-Governance weiter voranzutreiben“, so Bleischwitz.