Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) entwickelt neue Qualitäts- und Sicherheitsstandards für recycelte Carbonfasern. Ziel ist es, dem weltweit steigenden Bedarf an Leichtbauanwendungen begegnen zu können: Bei der Transformation zur Klimaneutralität kommt carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) als Leichtbau-Werkstoff eine wichtige Rolle zu. Von der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau, der Windenergie bis zum Freizeitbereich helfen CFK, Masse, Material und damit gleichzeitig Ressourcen, Energie und CO2 einzusparen. Auch für robuste und leichte Tanks für die Speicherung und den Transport von grünem Wasserstoff wird der Werkstoff benötigt.
Schon jetzt liegt der jährliche Verbrauch des Hochleistungswerkstoffs weltweit bei rund 130.000 Tonnen. Angesichts des wachsenden Bedarfs ist es umso gravierender, dass für CFK noch keine geschlossenen Kreislaufsysteme existieren. Zwar ist es technisch längst möglich, gebrauchte Carbonfasern wieder aus der Kunststoffmatrix zu lösen, in die sie eingebettet sind und anschließend zu einem qualitativ hochwertigen Material zu verarbeiten. Doch die Nachfrage nach recycelten Carbonfasern ist bislang sehr gering. Der Marktanteil liegt bei unter fünf Prozent.
„In der Industrie halten sich Bedenken gegenüber der Leistungsfähigkeit von Bauteilen auf Basis recycelter Carbonfasern“, erklärt Florian Loose, Experte für das Leichtbaumaterial an der BAM. „Viele Unternehmen, die CFK einsetzen, verwenden lieber neue Fasern, weil bislang wenig darüber bekannt ist, welchen Einfluss das Recycling der Carbonfasern auf die Performance des fertigen Bauteils hat. Hinzu kommt, dass keine Standards zur Qualitätssicherung recycelter Carbonfasern existieren, die die Vorbehalte ausräumen könnten. So wird das Material aktuell entweder einem wenig nachhaltigen Downcycling unterzogen und z. B. zu Parkbänken verarbeitet oder einfach entsorgt.“
Florian Loose und seine Kollegen wollen das ändern
In einem neuen Projekt untersucht ein BAM-Team dazu den Recyclingprozess genauer. Im direkten Austausch mit der Industrie werden dazu zunächst die Kenngrößen und Materialeigenschaften, auf die es in der Praxis vor allem ankommt, erhoben. Diese Parameter beobachten die Forscher*innen dann über den gesamten Lebenszyklus eines CFK-Prüfkörpers: von dessen Fertigung und Einsatz über die Rückgewinnung der Fasern mittels Pyrolyse bis zu deren erneuter Verwendung in einem exakt baugleichen Werkstück.
„Bei diesem direkten Performance-Vergleich von Alt und Neu ermitteln wir die Bruch- und Schwingfestigkeit“, so Florian Loose. „Sie sind für den Einsatz des recycelten Materials besonders relevant, weil sie über seine Belastbarkeit entscheiden. Bislang wurden sie kaum systematisch untersucht.“
Genauer betrachten wollen die Forscher auch den Prozess des Recyclings selbst, um zu verstehen, welche Auswirkungen er auf die Bauteileigenschaften hat. Schließlich wird das Team Standards zur Qualitätssicherung recycelter Carbonfasern und deren Einsatz entwickeln, um die Akzeptanz des Materials am Markt zu steigern und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft von CFK zu ermöglichen – bei einem verlässlich hohen Sicherheitsniveau.