Bei starkem Wind liefern Windräder mehr Strom als nötig. Über eine Windheizung 2.0 aus dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP lassen sich solche Überkapazitäten künftig nutzen – und das Netz zudem stabilisieren. Auf der Messe BAU 2023 vom 17. bis 22. April in München stellen die Forschenden des Fraunhofer IBP die Windheizung 2.0 vor (Halle C2, Stand 528).
Die Klimaziele der Bundesregierung sind ehrgeizig: Bereits bis 2030 sollen die Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 65 Prozent gesenkt werden. Soll dies gelingen, führt kein Weg an Erneuerbaren Energien aus Sonnen- und Windkraft vorbei. Die Schwierigkeit dabei: Wind liefert die Energie alles andere als kontinuierlich. Dadurch steht immer wieder deutlich mehr Energie zur Verfügung als benötigt wird, während sie zu anderen Zeiten Mangelware ist. Zudem stellen diese Schwankungen das Netz vor Herausforderungen: Insbesondere bei winterlichem Starkwind müssen die Windkraftanlagen in manchen Regionen gedrosselt oder zeitweise auch gänzlich abgeregelt werden, um das Netz nicht zu überlasten.
Ökonomisch und ökologisch sinnvoll und netzdienlich: Die Windheizung 2.0
Forschende des Fraunhofer IBP entwickelten gemeinsam mit Partnern im Projekt »Windheizung 2.0«, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK gefördert wurde und im Mai 2022 seinen Abschluss fand, eine ökonomische und ökologische Lösung, um den Strom aus solchen Überproduktionen nutzen zu können und das Netz gleichzeitig zu entlasten.
Die Idee: Steht überschüssiger Strom zur Verfügung und sind die Verteilnetze nicht überlastet, wird die Windenergie zur Gebäudebeheizung genutzt. »<
Das Besondere: Das Gebäude kann seine Wärmeversorgung dann für etwa zehn bis 14 Tage ohne weiteren Strom oder Wärmebezug sicherstellen«, sagt Dr. Matthias Kersken, Wissenschaftler am Fraunhofer IBP. Diese Dauer ergibt sich aus den deutschen Klimaverhältnissen – alle ein bis zwei Wochen kommt es zu einem Starkwindereignis, das etwa fünf bis neun Stunden andauert.
Die Windheizung 2.0 bietet damit gleich zwei Vorteile: Zum einen nutzt sie Windenergie, die ansonsten unter Umständen aufgrund eines Überangebots ungenutzt bliebe und bietet somit ökonomische Vorteile für Energieversorger ebenso wie für Endkunden. Schließlich kann Strom verkauft werden, der ansonsten zu niedrigen oder gar negativen Preisen gehandelt werden würde.
Zum anderen stabilisiert sie das Netz: Eine spezielle Regelungskomponente sorgt dafür, dass die Speicher nur bei freien Kapazitäten im Stromnetz geladen werden, während sie – anders als beispielsweise Wärmepumpen – bei Netzengpässen keinerlei Energie beziehen und das Netz somit entlasten. Dazu ist ein hoher Dämm- und Effizienzstandard des Gebäudes unabdingbar: Schließlich muss die Zeit zwischen den Starkwindereignissen und den Stromengpasszeiten überbrückt werden. Nur bei einem Einsatz in hocheffizienten Gebäuden ist das ansonsten systemschädliche und stromverschwendende direktelektrische Heizen systemdienlich.
Herzstück Wärmespeicher
Möglich machen es zwei neuartige Speichertypen, die die Forschenden optimiert beziehungsweise entwickelt haben. Zum einen eine überdämmte Bauteilaktivierung: Bei dieser – ohne Dämmung bereits eingesetzten – Speicherart wird ein Kunststoff- oder Aluminiumverbundrohr in die Betondecke eingegossen. Um die mögliche Speichermenge zu erhöhen, gehen die Forschenden mit den Temperaturen des gespeicherten Wassers bei der Windheizung 2.0 weit nach oben. Damit die Räume unter diesem Speicher nicht zu warm werden, dämmen sie die Decke unterseitig, auf der Oberseite hilft die bereits vorhandene Trittschalldämmung.
Bei einem vollen Speicher entspricht der passive Wärmeverlust dem Bedarf des Hauses. Kühlt das Wasser im Laufe der Zeit ab, genügt dies nicht mehr: Dann wird die Dämmung gezielt umgangen, indem das warme Wasser aktiv in eine Decken- oder Flächenheizung gepumpt wird. »Die Speicherverluste auf den Bedarf abzustimmen, ist dabei ein ganz wichtiger Punkt«, betont Kersken.
Das heißt: Im Frühjahr darf der Speicher nicht mehr auf hundert Prozent geladen werden, sonst wird es zu warm im Haus. Hier setzt eine Wärmebedarfsprognose an, die in die Regelung der Windheizung 2.0 integriert ist: Sie arbeitet mit der Wettervorhersage und lernt die Charakteristik des Gebäudes und der Nutzung.
Der zweite mögliche Speicher für die Windheizung 2.0 ist ein Hochtemperatur-Steinspeicher, ein zentraler Nachtspeicherofen, den die Forschenden eigens für diese Anwendung entwickelt haben: Ein fünf Tonnen schwerer, gut gedämmter Stein im Keller, der via überschüssiger Windenergie mit Heizwendeln aufgeheizt und langsam mit Luft durchströmt wird.
Die Wärme, die auf diese Weise entnommen wird, wird über einen geschlossenen Kreislauf zum Heizen sowie zur Warmwasseraufbereitung genutzt. Möglich ist des Weiteren ein großer Warmwasserspeicher, der mit der überschüssigen Energie aufgeheizt wird und die Temperatur ein bis zwei Wochen hält.
Einsparungen von 200 bis 400 Euro pro Quadratmeter
Die verschiedenen Speicher haben die Forschenden auf dem Gelände des Fraunhofer IBP bereits in drei verschiedenen Versuchsgebäuden getestet. Auch dienten die Messungen dazu, Simulationen zu validieren. Die Ergebnisse können sich sehen lassen:
»Bereits mit dem Prototyp können wir problemlos sieben bis zehn Tage überbrücken, in den betrachteten Gebäuden ließen sich 80 bis 90 Prozent des Strombedarfs durch Überschussstrom decken. Der CO2-Fussabdruck sank dabei ebenfalls um 12-26 kg(CO2)/(m²a)«, freut sich Kersken.
Auch wirtschaftlich ist die Windheizung 2.0 interessant: Auf 25 Jahre gerechnet lassen sich mit ihr, trotz Investitionskosten und Mehraufwand für die Dämmung zur Einhaltung der hohen wärmetechnischen Anforderungen, 200 bis 400 Euro einsparen – pro Quadratmeter wohlgemerkt (bezogen auf ein Referenzgebäude gemäß GEG). Interessant ist die Windheizung 2.0 nicht nur für Neubauten, auch für zu sanierende Gebäude haben die Forschenden eine Lösung entwickelt. In einem Folgeprojekt, das im November 2022 startete und ebenfalls vom BMWK gefördert wird, werden die Forschenden die Windheizung 2.0 zwei Winter lang in vier real bewohnten Gebäuden testen.