Viele der wirtschaftlich oder soziokulturell wirksamen Konzepte von Forschenden verbleiben in der Schublade. Einer der Gründe: es fehlen oftmals die finanziellen Mittel, um auch kleinere Projekte mit hohem Umsetzungspotenzial in die Industrie oder in die Gesellschaft zu überführen. Das im Sommer 2018 gestartete und von der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFGB) geförderte Programm „Calls for Transfer“ in Projektträgerschaft der TU Hamburg setzt gezielt hier an und fördert den Wissens- und Technologietransfer an den sechs staatlichen Hamburger Hochschulen. Ausgewählte Projektanträge werden mit bis zu 30.000 Euro für eine Laufzeit von zwölf Monaten unterstützt.
Für die jüngste Förderrunde wurde im Februar bekannt, dass insgesamt vier Anträge aus Fakultäten der HAW Hamburg unter den geförderten Vorhaben sind. Mit der Initialförderung können die Wissenschaftlern mit ihrer Arbeit beginnen oder bereits bestehende Projekte fortsetzen. Prof. Dr.-Ing. Peter Wulf, Vizepräsident für Forschung, Transfer und Internationales an der HAW Hamburg:
„Die Idee des `Calls for Transfer´ deckt sich mit der wissenschaftlichen Arbeit vieler unserer Forschenden. Denn im Fokus der Förderung stehen Projekte, die einen hohen Anwendungsbezug haben und dies ist für uns als Hochschule für angewandte Wissenschaften ein Kernmerkmal unserer Forschungsprojekte – das zeigen auch alle der jetzt geförderten Projekte unserer Hochschule.“
Das Projekt „Ukraine Refugee Health – Women“ (URefHe – Women) von Prof. Dr. Johanna Buchcik zielt darauf ab, die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von geflüchteten Frauen aus der Ukraine zu verbessern. Nach einer Bedarfsanalyse in Form von Fokusgruppendiskussionen, die die maßgeblichen Belastungen der Geflüchteten identifizieren sollen, werden diese – in einem nächsten Schritt – in einer muttersprachlichen Podcast-Serie fachlich aufbereitet. Psychische Belastungen sollen in einfacher Sprache erklärt werden.
Grundlage für den Antrag bildete das bis Sommer 2022 durchgeführte Projekt „Ukraine Refugee Health (URefHe)“ am Department Gesundheitswissenschaften der Fakultät Life Sciences. Hier wurden knapp 400 quantitative und standardisierte Interviews mit aus der Ukraine geflüchteten Frauen und Männern geführt.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass das Kriegsgeschehen und die Fluchterfahrungen für die Betroffenen psychisch äußerst belastend waren. Etwas über 60 Prozent der 304 Befragten gaben an, erheblich bis schwer unter psychischen Belastungen zu leiden. Diese drücken sich unter anderem durch Schlafverlust, Sorgen, ständiges Angespanntsein, Verlust des Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls sowie depressive Symptome und Ängste aus.
Dabei waren ukrainische Frauen häufiger von einer schweren psychischen Belastung betroffen, als die Männer. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die Trennung von der Familie, insbesondere von männlichen Familienmitgliedern, die im Land zurückbleiben mussten, um in der Armee zu kämpfen. Projektleiterin Prof. Buchcik erklärt:
„In der Ukraine sind teilweise noch klassische Rollenvorbilder vorherrschend, die Männer als Familienversorger definieren. Die Frauen, die ihre Männer zurücklassen mussten, weisen häufig eine sogenannte `double jeopardy´ auf, das bedeutet eine intersektionale Diskriminierungserfahrungen zum Beispiel aufgrund des Zusammenwirkens von Geschlecht und Flucht. Diese Frauen sind häufig von generalisierten Ängsten, depressiven Störungen und posttraumatischen Belastungsstörungen betroffen“.
Auf der zu entwickelnden und in ukrainischer Sprache angebotenen Podcast-Plattform werden Themen aus der qualitativen Bedarfsanalyse aufgegriffen. Zudem wird es niedrigschwellige Handlungs- und Verhaltensempfehlungen geben. „Der Zugang zu den geplanten Podcasts soll offen, ohne Sprachbarriere und ohne Schamgefühl sein und wird fachlich durch eine Psychotherapeutin begleitet. Die Aufklärungsreihe soll der Zielgruppe auf einer freiwilligen Basis angeboten werden“, so Prof. Buchcik.