Spielerisch-strategisches Lernen, um Maßnahmen zur Klimaanpassung in Firmen zu entwickeln: Unternehmen stehen aufgrund expandierter Wertschöpfungsketten in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren global verteilten Zulieferern. Dadurch ist der Produktionsfluss anfällig für externe Störungen, die beispielsweise durch den Klimawandel ausgelöst werden. Die Entwicklung von Maßnahmen zur Klimaanpassung ist unerlässlich, um die organisationsspezifischen Risiken des Klimawandels zu minimieren. Mitarbeitende am Institut Digital Engineering (IDEE) an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt beschäftigen sich mit aktuellen Herausforderungen des Klimawandels. Sie entwickeln Bildungsangebote im Projekt „MainKlimaPLUS“, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert wird. Ziel des Konzeptes ist es, Unternehmen für ihre Verantwortungsfunktion zu sensibilisieren und sie dabei zu begleiten, individuelle Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln.
Über eine zweijährige Förderphase wurden seit April 2021 eine umfangreiche Regionalstudie, ein Teaservideo, ein Kartenspiel für produzierende Unternehmen und jüngst ein Planspiel zur Klimaanpassung entwickelt. Die gedruckt und digital veröffentlichte Regionalstudie zeigt anhand verschiedener Dimensionen (z. B. Branche, Umfang, vorausschauend / reaktiv), inwiefern Unter-nehmen in der Region Unterfranken bereits Anpassungsmaßnahmen umsetzen. Für eine thematische Einführung und Sensibilisierung erfolgte das Teaservideo, in dem nähere Informationen zum Projekt, Erläuterungen zu klimarelevanten Grundbegriffen und erste Handlungsempfehlungen veröffentlicht werden.
Im Planspiel „MainKassandra“ simulieren Unternehmen und Interessierte verschiedene klimatische Einflüsse und erproben Strategien auf ihre Wirksamkeit hin. Mit einem spielerischen Ansatz werden Auswirkungen des Klimawandels nachgeahmt und einzelne Teams aufgefordert, mit einem interaktiven Maßnahmenkatalog zielgerichtete Anpassungsstrategien zu entwickeln. Dabei gilt es, Klimaereignisse und vorhandene Ressourcen zu beachten, denn gewinnen können nur die Spielerinnen und Spieler, die eine Balance aus ökonomischen und ökologischen Interessen erreichen. Die Erfahrungen können in die berufliche Praxis geführt und innerhalb von Arbeitsteams diskutiert werden.
„MainKassandra“ wurde bereits dreimal erfolgreich in der Praxis getestet: mit THWS-Studierenden, Beschäftigten aus dem Landratsamt Haßberge und Teilnehmenden der Wirtschaftsjuniorinnen und -junioren Schweinfurt. Die Resonanz sei positiv und zeige den Bedarf seitens der Wirtschaftsakteurinnen und -akteure sowie Interessierten, das Thema „globaler Klimawandel“ in seiner Komplexität für die konkreten Problemstellungen und Bedarfe seitens der Zielgruppe aufzubereiten, so die Projektmitarbeiterin Sophie Fischer am IDEE.
Das Thema Klimawandel ist schwer zu erfassen
Im Rahmen begleitender, empirischer Studien (qualitative Interviews und quantitative Fragebögen) wurde festgestellt, dass der Klimawandel für den Großteil der Befragten schwer zu erfassen ist und aufgrund der Vielzahl an Einflussfaktoren noch nicht eindeutig ist, welche Risiken und Chancen für die einzelnen Unternehmen in der Region bestehen. Zudem sind Betroffene durch die Vielzahl an Informationen, Warnungen und Prognosen oftmals überfordert, erste Strategien zu beginnen oder das Thema ohne externen Druck (bspw. durch politische Auflagen, Lieferkettengesetz etc.), strategisch im Unternehmen zu positionieren.
Wichtig hierbei sei, wie die Projektmitarbeiterin Sophie Fischer betont, dass „Interessierte sich zwar an ihre Verantwortungsfunktion erinnern, aber auch wahrnehmen, dass erste Maßnahmen sehr niederschwellig und ohne einen hohen Ressourceneinsatz erfolgen können.“ Neben der Bereitstellung von Ressourcen und der Analyse des Klimawandels in seiner globalen Dimension ist es für Organisationen heute entscheidend, frühzeitig zu beginnen und dabei das Wissen aus den einzelnen Abteilungen zu sammeln bzw. in Konzepte zu integrieren. Denn Wissen und Wissensfortschritt zu vereinigen, fördert die Entwicklung von individuellen Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung. Beschäftigte vom Band eines produzierenden Unternehmens haben andere Perspektiven und Ideen als bspw. Beschäftigte aus Büros.
„Der Klimawandel geht uns alle an, auch wenn sich die meisten unserer Umstellungen durch die verzögerte Wirkzeit von Maßnahmen (Klimaträgheit) eher erst auf nachfolgende Generationen auswirken werden. Angesichts der aktuellen Ausprägungen und wissenschaftlicher Warnungen „sollen Wirtschaftsakteure nicht verdrossen werden, vielmehr gilt es, sie positiv zu bestärken und erste Maßnahmen einzuleiten“, so Sophie Fischer.
Das Klimaplanspiel fördert Diskussionen durch die unterschiedlichen Rollen und heterogenen Teams. Zudem enthält das Booklet mit Spielmaterialien Arbeitsblätter zur Nachbereitung des Workshops und für den Transfer in die tägliche Berufspraxis. Im Rahmen der aktuellen, kostenneutralen Verlängerung wird eine Evaluation entwickelt, um das Planspiel für die Durchführung kontinuierlich weiterzuentwickeln. Der Spiel- und Motivationsansatz soll verstetigt werden, damit das Planspiel einer breiten Zielgruppe zugänglich wird.
Verantwortlich für die Organisation und Durchführung ist das Projektteam, bestehend aus dem Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Jan Schmitt, Sophie Fischer und den studentischen Hilfskräften Lena Lauc, Vanessa Faulstich und Marius Fischer. Das Planspiel wird ab Juni als Workshop am Campus Weiterbildung an der THWS angeboten und soll im Weiterbildungssegment der Projektpartner, der IHK Würzburg-Schweinfurt, IG Metall, Geschäftsstelle Schweinfurt und der Handwerkskammer für Unterfranken, angeboten werden.