In Las Palmas auf den Kanarischen Inseln wurde jetzt die Firma MACROCARBON SL ins Leben gerufen. Sie ist eine Ausgründung aus dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Das Start-up entwickelt Algenfarmen, in denen die Makroalge Sargassum gezüchtet werden soll. Diese Algen binden große Mengen an CO2 und dienen gleichzeitig der Herstellung neuer Grundstoffe für die Chemische Industrie.
Am Beginn stand die Idee, natürliche Ressourcen der Ozeane zu nutzen, um neue klimaschonende Grundstoffe für die Industrie zu entwickeln. Dazu taten sich engagierte Forschende des AWI, des GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sowie der jungen Unternehmen Seafields und Carbonwave mit Unterstützung der BASF zusammen, um im Januar 2022 das Projekt „C-CAUSE“ (Chemical CArbon Utilization through Sargassum Economy) bei der „Carbon to Value Challenge“ der Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIN-D) einzureichen.
Als eines von fünf Projekten wurde C-CAUSE für eine erste Förderphase ausgewählt, in der eine neuartige Wertschöpfungskette entwickelt wurde: Beginnend mit der Produktion von freischwimmenden Makroalgen (Sargassum fluitans und natans) in Aquafarmen im offenen Meer werden biologische, erneuerbare Kohlenstoff-Rohstoffe für die chemische Industrie produziert. Ziel ist es, zur Dekarbonisierung der chemischen Industrie beizutragen und gleichzeitig Produkte zu schaffen, die Kohlenstoff längerfristig speichern.
Um weitere Entwicklungsaktivitäten im Rahmen einer zweiten SPRIN-D-Förderphase und das technische Upscaling noch agiler vorantreiben zu können, wurde aus dem AWI am 23. März 2023 das Unternehmen MACROCARBON SL ausgegründet. Zu den Zielen des AWI-Spin-offs erklärt Gründerin und MACROCARBON-Geschäftsführerin Dr. Mar Fernández Méndez:
„MACROCARBON wird integrierte Lieferketten für den Anbau und die Verarbeitung von Sargassum-Algen entwickeln. Weil Sargassum selbst schwimmt, brauchen wir hierfür keine teuren, im Wasser aufzuspannende Langleinen. Zudem wächst die Alge schnell und gedeiht in vielen Regionen. Sie bindet sehr effizient CO2 durch natürliche Photosynthese.“
Nach der Ernte der Alge wird die kohlenstoffreiche Biomasse zu Rohstoffen für die chemische Industrie (etwa Bio-Naphtha) verarbeitet, welche die bislang aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Produkte ersetzen sollen. Auf diese Weise will MACROCARBON einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten: Bis 2040 sollen so 100 Millionen Tonnen und bis 2050 eine Gigatonne CO2-Kohlenstoff gebunden werden.
Das AWI und seine Ausgründung MACROCARBON planen, auch weiterhin miteinander zu kooperieren. Das AWI wird dazu sein biologisches Prozessverständnis zur Überwachung von Kohlenstoffflüssen und der Umweltverträglichkeit einbringen, um so MACROCARBON im Aufbau einer innovativen Wertschöpfungskette zu unterstützen.
Als Firmensitz wurde Las Palmas auf Gran Canaria gewählt, weil Sargassum in der umliegenden Meeresregion gut gedeiht und die junge Firma MACROCARBON hier Zugang zu einer Ozeanplattform mit Testumgebung (Oceanic Platform of the Canary Islands, PLOCAN) erhält. Diese Plattform eignet sich für Großversuche und Tests von Pilotanlagen. Der Standort im Atlantik ist außerdem gut zu erreichen und bietet gleichzeitig die notwendigen marinen Hochseebedingungen. Die Kanarischen Inseln gehören zur EU, was für die Förderung durch SPRIN-D und mögliche weitere EU-Fördermittel relevant ist. Zudem bieten sie – insbesondere im Rahmen der so genannten Blauen Bioökonomie – ein attraktives Gründer-„Ökosystem“ an.
Neben der Förderung durch SPRIN-D planen die beiden jungen Unternehmen Seafields und Carbonwave, sich an MACROCARBON zu beteiligen. Voraussichtlich wird auch Jason Cole, derzeit Head of Innovation bei Carbonwave, das Gründerteam von MACROCARBON verstärken. Seafields und Carbonwave beschäftigen sich bereits mit der Aquakultur sowie der Verwertung von Seegras und können dadurch wertvolle Erfahrungen in das Unternehmen einbringen.
Die AWI-Ausgründung MACROCARBON wurde eingeladen, sich auf dem Investor Day der vier außeruniversitären Forschungsorganisationen Helmholtz, Max-Planck, Fraunhofer und Leibniz Ende März in München vorzustellen. Bei dem Event präsentierten sich 40 ausgewählte Startups vor rund 100 Investoren. MACROCARBON stieß bei dem Event auf großes Interesse der Investoren, was deutlich macht, dass das Konzept nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch große Chancen bietet.
Im Golf von Mexiko beispielsweise, wo derzeit ein riesiger Algenteppich aus Braunalgen auf die Küste Floridas zutreibt, hat es bereits Versuche gegeben, Sargassum-Biomasse zu verwerten. Dies gelang bislang jedoch noch nicht zuverlässig im industriellen Maßstab, weil die Zuflüsse von Sargassum an den Stränden zu unterschiedlich waren.
Demgegenüber erlaubt das kontrollierte Aquafarming, wie es von MACROCARBON projektiert wird, ein Upscaling durch eine kontinuierliche Produktion von Sargassum. Das kann dabei helfen, auch angetriebene Biomasse wirtschaftlich rentabel zu verwerten. Indirekt könnte MACROCARBON also zur Lösung von Problemen wie in der Karibik beitragen, weil es eine großskalige Methode zu Aquafarming und Verwertung von Sargassum entwickelt.
„Für mich als Meeresbiologin ist diese Firmengründung ein sehr spannender, aber auch herausfordernder Prozess. Bei dem Investoren-Event habe ich viel gelernt. Dank der Unterstützung eines engagierten SPRIN-D-Coaches und der AWI-Technologietransferstelle waren wir sehr gut vorbereitet“, sagt Mar Fernández Méndez. „Der Weltklimarat hat in seinem letzten Synthesebericht wieder auf die große Dringlichkeit hingewiesen, endlich ins Handeln zu kommen. Das motiviert mich, durch ein Upscaling unserer Forschungsergebnisse in die breite wirtschaftliche Anwendung zu kommen.“