Neues Verfahren zur Untersuchung von Polymeren in der Umwelt

Ein Wissenschaftler entnimmt eine Bodenprobe zur weiteren Untersuchung. © Fraunhofer IAP

Bei der Nutzung von Klärschlamm als Düngemittel für die Landwirtschaft gelangen als Flockmittel eingesetzte Polyacrylamid-Copolymere (PAMs) in die Umwelt. Laut Düngemittelverordnung dürfen diese jedoch nicht im Boden verbleiben. Fraunhofer-Forscher haben ein Verfahren entwickelt, um unter realistischen Bedingungen zu untersuchen, ob PAMs in der Umwelt abgebaut werden, und wie schnell dies gegebenenfalls geschieht. Die Studie zeigt, dass der Grad des Abbaus den Vorgaben der Düngemittelverordnung entspricht. Das neuartige Verfahren lässt sich auch in anderen Bereichen zur Untersuchung des Verbleibs und des Abbaus von Polymeren oder Mikroplastik in der Umwelt einsetzen.

Laut Düngemittelverordnung, die »das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln« in Deutschland regelt, dürfen synthetische Polymere, und dazu gehören Polyacrylamid-Copolymere, nach Einbringen in die Umwelt nicht in der Natur verbleiben. Deshalb müssen PAMs in der Umwelt abgebaut werden – ohne weitere Hilfsmittel und unter natürlichen Bedingungen. Die Verordnung schreibt einen Abbau von mindestens 20 Prozent innerhalb von zwei Jahren vor. Ein Verfahren, wie dieser Wert überprüft werden soll, wird in der Verordnung indes nicht genannt.

Ein völlig neues Verfahren

Forscher vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP und Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME haben in einer dreijährigen Studie das Verhalten von PAMs unter realen Bedingungen in der Natur untersucht. Dafür entwickelten sie ein völlig neues Verfahren, mit dem sie den besonderen Bedingungen gerecht werden, die durch das Aufbringen von Klärschlamm in den Boden entstehen: »Es gibt verschiedene Studien, die den Abbau von PAMs durch UV-Bestrahlung untersucht haben. Diese Ergebnisse greifen im besonderen Fall des Düngens aber nicht, weil es um untergepflügtes Material im Boden geht, da kommt UV-Licht nicht hin«, erklärt Dr. Erik WischerhoffBildergebnis für Dr. Erik Wischerhoff (Foto: Fraunhofer Gesellschaft) aus dem Projektteam am Fraunhofer IAP. »Wir mussten also herausfinden, ob die PAMs auch unter diesen Bedingungen abgebaut werden. Dafür haben wir ein Untersuchungsverfahren entwickelt, das es so vorher noch nicht gab.«

Wie schnell werden Polyacrylamid-Copolymere im Boden abgebaut?

Für diese Untersuchung hat das Fraunhofer-Team radioaktiv markierte PAMs mit Hilfe radikalischer Polymerisation hergestellt und damit Freilandversuche durchgeführt. Über einen Zeitraum von 3 Jahren wurden alle 6 Monate Bodenproben entnommen und einem speziellen Extraktionsverfahren unterworfen. Dieses gewährleistet, dass die im Erdreich fein verteilten und teilweise gebundenen Polymere vollständig erfasst werden. Anschließend wurden die Molmassen der im Extrakt gefundenen PAMs mittels Gelpermeationschromatografie ermittelt.

Kontrollierte radikalische Polymerisation

Trennung in der GPC-Säule

Die radioaktive Markierung macht diese Analysen erst möglich. Diese Ergebnisse geben Auskunft darüber, wie stark die Polymere abgebaut wurden. Das Besondere daran: Die dazu notwendigen Vergleichspolymere, sogenannte Standards, haben die Fraunhofer-Forscher selber durch kontrollierte radikalische Polymerisation hergestellt. In ihrer Struktur gleichen sie den extrahierten Polymeren, und ermöglichen somit verlässliche Aussagen.

 

Trennung in der GPC-Säule

Die Gel-Permeations-Chromatographie (GPC) ist eine Art der Flüssigchromatographie, bei der Moleküle gelöster Stoffe aufgrund ihrer Größe (genauer: ihres hydrodynamischen Volumens) getrennt werden können. Andere Bezeichnungen sind Größenausschluss-Chromatographie, Size Exclusion Chromatography (SEC) und, physikalisch gesehen falsch, auch Gelfiltrations-Chromatographie (GFC) oder Molekularsieb-Chromatographie.

»Wir haben festgestellt, dass in unserer Studie die Polyacrylamid-Copolymere innerhalb von zwei Jahren zu mehr als 20 Prozent abgebaut wurden und damit den Vorgaben der Düngemittelverordnung gerecht werden. Wie genau die PAMs abgebaut werden, war nicht Gegenstand der Untersuchung. Es steht aber fest, dass die für diese Polymere charakteristische lange Kohlenstoffkette in kleinere Stücke zerbricht. Das könnte in einem separaten Projekt genauer erforscht werden«, so Wischerhoff.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler in dem internationalen Journal »Environmental Sciences Europe« veröffentlicht. Derzeit steht eine abschließende Bewertung des Düngemittelbeirates des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus, ob die Ergebnisse als allgemeine Bewertungsgrundlage für den Einsatz mit PAMs behandelter Klärschlämme als Düngemittel herangezogen werden können.