Zwei Forscherinnen aus der Ukraine, Dr. Irina Konovalova und Prof. Dr. Maryna Kornet, nehmen im Sommer eine zweijährige Postdoc-Tätigkeit an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) auf. Sie werden im Rahmen des EU-Programms MSCA4Ukraine gefördert und arbeiten in zwei Forschungsgruppen in der Chemie.
Prof. Dr. Stefan Marschall, Prorektor für Internationales und Wissenschaftskommunikation, dankt den Arbeitsgruppenleitern für ihr Engagement bei der Unterstützung der ukrainischen Forscherinnen und weist auf das Engagement der HHU für gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hin: „Unsere Universität steht, ganz im Sinne unseres Namenspatrons Heinrich Heine, für die Freiheit der Wissenschaft und die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit. In diesem Geist unterstützen wir unsere Forschenden, die Kooperationen mit Ländern aufbauen, in denen ihre Kollegen gefährdet sind. Aktuell ist die Ukraine in unserem besonderen Fokus.“
Dr. Irina Konovalova wird mit Dr. Guido J. Reiß am Lehrstuhl für Bioanorganische Chemie arbeiten. Die studierte Chemikerin hat an der V.N. Karazin Kharkiv National University promoviert. Sie ist am staatlichen wissenschaftlichen Institut für Einkristalle der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine als Senior Researcher in der Abteilung für Röntgenbeugung und Quantenchemie angestellt.
Das Forschungsgebiet von Dr. Konovalova umfasst die Untersuchung von Molekül- und Kristallstrukturen aromatischer Verbindungen. Diese Stoffe dienen als wichtige Strukturbausteine vieler bioaktiver und medizinisch nutzbarer Produkte und sie sind allgemein wesentliche Komponenten organischer Funktionsmaterialien. Die experimentelle Kristallstrukturanalyse im Zusammenspiel mit quantenchemischen Rechnungen ermöglicht es, die energetischen Verhältnisse kristalliner Materialien zu untersuchen.
Die Methodik erlaubt es, die Rolle verschiedener intermolekularer Wechselwirkungen zu bewerten und die supramolekulare Architektur kristalliner Materialien vorherzusagen. Durch diese Untersuchungen kann auch auf die Materialeigenschaften dieser technologisch interessanter Substanzklasse rückgeschlossen werden. Dies ermöglicht es schließlich, mit Hilfe des sogenannten Kristall-Engineerings gezielt Festkörperstrukturen zu erzeugen, was zum Beispiel ein wichtiges Werkzeug für die pharmazeutische Forschung ist.
Dr. Reiß zu den Zielen des gemeinsamen Projekts an der HHU: „Dr. Konovalova wird durch ihre Expertise bei der quantenchemischen Berechnung und Analyse von organischen, kristallinen Festkörpern die in der Arbeitsgruppe vorhandene Methodik wesentlich erweitern. Insbesondere die supramolekulare Architektur von halogen- und aminosubstituierten aromatischen Verbindungen passt hervorragend zu unseren Forschungsinteressen. Es ist im Übrigen unser Ziel, die Kooperation mit dem Heimatinstitut von Dr. Konovalova zu verstetigen.“
Prof. Dr. Maryna Kornet ist in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas J. J. Müller am Lehrstuhl für Organische Chemie integriert. Sie studierte Chemie an der Zaporizhzhia National University und promovierte im Bereich Bioorganische Chemie an der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew. Kornet ist außerordentliche Professorin an der Fakultät für Chemie der Universität in Zaporizhzhia und leitet dort das Labor für Biotechnologie physiologisch aktiver Substanzen.
Prof. Kornet erforscht biologisch aktive Derivate von stickstoffhaltigen Heterozyklen, insbesondere Verbindungen, die im Stoffwechsel der Zellen vorkommende schwefelhaltige Gruppen tragen. Es geht ihr darum, wie die Struktur dieser Stoffe deren Aktivität beeinflusst. In dem Kontext stehen sowohl die Synthesewege für die Stoffe, deren physikalische und chemische Eigenschaften und deren biologische Aktivität. In erster Linie sind Verbindungen mit antioxidativen, strahlenschützenden und antimikrobiellen Eigenschaften interessant, die dabei so ungiftig wie möglich sind, um auch beim Menschen eingesetzt werden zu können.
In Düsseldorf will Prof. Kornet in den kommenden zwei Jahren in ihrem EU-geförderten Projekt neuartige Strahlenschutzmittel auf der Grundlage von S-funktionalisierten Cysteaminen entwickeln. Dabei sollen der noch nicht vollständig geklärte Wirkungsmechanismus dieser Stoffe aufgeklärt und die Struktur-Bioaktivitäts-Beziehung von Strahlenschutzmitteln entschlüsselt werden. Diese Arbeiten sollen die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Forschungsgruppen aus der Chemie und der Biologie stärken. Auch geht es darum, deutsche Bildungsansätze an der Universität in Zaporizhzhia einzuführen.
Prof. Müller: „Die Expertise unserer Düsseldorfer Arbeitsgruppe wird sich fruchtbar mit dem biologisch-analytischen Schwerpunkt von Prof. Kornet ergänzen. Es ist darüber hinaus unser Ziel, die deutsch-ukrainische Wissenschaftskooperation zu intensivieren und Nachwuchswissenschaftler zu fördern.“
Unterstützung für gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
An der HHU sind die Maßnahmen für gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Juno, dem „Junior Scientist and International Researcher Center“, gebündelt. Dr. Sigrun Wegener-Feldbrügge berät zu verschiedenen Programmen von DAAD, Alexander von Humboldt-Stiftung, DFG und der Leopoldina. Auch unterstützt sie die gefährdeten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und deren gastgebende Institute bei der Antragstellung. Ebenfalls ist die HHU an einem Qualifizierungsprogramm speziell für gefährdete Forschende im Rahmen der NRW-Sektion von „Scholars at Risk“ beteiligt.
Die Beratungs- und Unterstützungsleistungen des Welcome-Centers von JUNO helfen den gefährdeten Forschenden und ihren Familien, sich nach ihrer Ankunft schnell in Deutschland und an der HHU zu integrieren.
MSCA4Ukraine-Förderprogramm
Das Förderprogramm für Forschende aus der Ukraine ist im Rahmen der „Marie Skłodowska Curie Actions“ (MSCA) der Forschungsförderung der Europäischen Union angesiedelt. Es soll ukrainischen Forschenden, die nicht mehr in ihren Heim-Institutionen arbeiten können, die Möglichkeit geben, ihre Forschungen an einem Institut in einem EU-Mitgliedsland oder einem assoziierten Staat fortzuführen. So soll einerseits die Kontinuität in der Forschung gewährleistet und andererseits die Forschungsinstitutionen in der Ukraine gestärkt werden.
Insgesamt werden europaweit 124 Projekte aus der Ausschreibungsrunde 2022 unterstützt. Die HHU war davon ursprünglich mit drei Anträgen erfolgreich, wobei eine Antragstellerin zwischenzeitlich an einen anderen Standort gewechselt ist. Damit werden allein zwei der drei in Deutschland in der Chemie beantragten Projekte an der HHU durchgeführt.