Wie sorgt man in den Metropolen der Welt für klimafreundlicheren Verkehr, ohne die Bevölkerung zu überfordern? Wie sich diese beiden großen Ziele vereinbaren lassen, zeigt jetzt eine bahnbrechende, modellgestützte Studie für 120 Großstädte rund um den Globus. Ergebnis: Unter der Bedingung, dass die Lebensqualität in keiner dieser Städte sinken darf, kann maßgeschneiderte Klimapolitik im Verkehr die Treibhausgas-Emissionen in 15 Jahren um 22 Prozent verringern.
Das Forschungsteam nutzte das in der Regionalökonomie etablierte Rechenmodell NEDUM. Es fütterte es für jede einzelne Stadt mit Daten zu Bevölkerungsdichte, Flächennutzung, Wohnungsgrößen, Mietpreisen und Verkehrskosten. Und es rechnete dann vier Ansätze von Klimapolitik im Stadtverkehr, nämlich Spritsteuern, effiziente Autos, Investitionen in ÖPNV oder klimafreundliche Stadtentwicklung, sowie den Fall, dass man alle vier Ansätze zugleich verfolgt.
Am Ende stehen für jede Stadt und jedes Szenario zwei Werte: der Klimagase-Ausstoß im Stadtverkehr sowie ein Wert für die Wohlfahrt der Bevölkerung. Dieser umfasst neben dem materiellen Lebensstandard auch die in Geld umgerechneten Gesundheitsfolgen von Verkehr: Lärm, Abgase, Unfälle, aber auch Fitness durch Laufen oder Radfahren.
Im Durchschnitt der 120 untersuchten Metropolen sinken die Klimagas-Emissionen demnach im Verlauf von 15 Jahren um zwischen 4 und 12 Prozent, je nach dem verfolgten Ansatz der städtischen Klimapolitik – und um 31 Prozent, wenn alle vier Ansätze zugleich verfolgt werden. Dieses Ergebnis im ersten Schritt der Untersuchung entspricht in etwa den schon existierenden Grobschätzungen in der Forschungsliteratur. Das Zwischenergebnis für die Wohlfahrt ist mau: im Durchschnitt minus 3 Prozent. Der Witz an der neuen Studie ist nun aber folgender: Das Forschungsteam baute in einem zweiten Schritt die Nebenbedingung ein, dass die Wohlfahrt der Bevölkerung in jeder Stadt zumindest marginal steigt.
Unter dieser Voraussetzung, also sozusagen mit Blick auf die politische Durchsetzbarkeit, ermittelte das das Rechenmodell dann für jede einzelne Stadt das Politik-Paket mit der größten Klimaschutz-Wirkung. Ergebnis: Von den maximal erreichbaren 31 Prozent Emissionseinsparung werden immer noch 22 Prozent umgesetzt (bei im Durchschnitt 1 Prozent höherer Wohlfahrt).
„Es erscheint also überall möglich, ohne negative Folgen für die Lebensqualität einen Großteil des Einsparpotenzials bei den Klimagas-Emissionen im Stadtverkehr zu realisieren“, sagt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Co-Autor der Studie. „Allerdings braucht es, mit Blick auf die lokalen Besonderheiten, wirklich jeweils eine kontext-adäquate Strategie, es gibt hier keine Patentlösung. Das macht die zum Beispiel in Deutschland anstehende Reform der Straßenverkehrsordnung so bedeutsam – damit könnten Kommunen beim Klimaschutz endlich flexibel handeln.“
Charlotte Liotta, Doktorandin am CIRED-Forschungszentrum in Nogent-sur-Marne bei Paris sowie an der Technischen Universität Berlin und Leitautorin der Studie, ergänzt: „Unsere Arbeit liefert erstmals einen analytischen Rahmen dafür, solche kontext-adäquate Strategien zu entwickeln. Und sie macht zugleich deutlich, wie bedeutsam städtische Verkehrspolitik beim Kampf gegen die Erderhitzung ist.“ Schätzungsweise 8 Prozent aller weltweiten Klimagas-Emissionen stammen aus dem städtischen Verkehr. Sie sind in der regionalökonomischen Forschung bislang kaum ausgeleuchtet. Bei den nationalen Selbstverpflichtungen, über man in der Klimadiplomatie den Weg aus der Krise sucht, ist die kommunale Ebene bislang weitgehend außen vor.