Koralleninseln drohen angesichts des steigenden Meeresspiegels langsam zu versinken. In einer neuen Studie fanden Forschende des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) heraus, dass nicht nur der Meeresspiegel eine Rolle für das Schicksal bedrohter Inseln spielen könnte.
In den letzten Jahren häuften sich alarmierende Berichte über das langsame Versinken von Koralleninseln insbesondere im Pazifik. Tropische Koralleninseln entstehen, indem sich Sedimente aus Kalkskeletten und -schalen von Korallen, Muscheln, Schnecken oder Kalkalgen auf dem Dach und in der Lagune eines Riffes ablagern und so eine Sandbank bilden. Solche Inseln ragen meist nur wenige Meter über den Meeresspiegel. Aufgrund der Erwärmung der Meere und des Schmelzens der polaren Eiskappen könnte der Meeresspiegel jedoch bis zum Ende dieses Jahrhunderts um ein bis zwei Meter steigen. Doch auch andere Umweltfaktoren können einen Einfluss auf die Entwicklung von Koralleninseln nehmen.
Um die Dynamik von Riffinseln über einen längeren Zeitabschnitt zu erforschen und Veränderungen ihrer Form besser zu verstehen, untersuchte eine Gruppe von Forschenden des ZMT gemeinsam mit indonesischen Kolleg:innen die vergangenen 10.000 Jahre der geologischen Entwicklung einer Koralleninsel im indonesischen Spermonde Archipel: Barrang Lompo.
Dazu wurden dem Inselboden mehrere zehn Meter lange Sedimentkerne entnommen. In Proben aus den Kernen untersuchte das Team Alter, Korngröße und Zusammensetzung der Sedimente aus den Schalen- und Skelettbruchstücken verschiedener kalkbildender Organismen. „So konnten wir herleiten, aus welchen Teilen des Riffs die Organismen kamen und wie sie transportiert wurden“, erklärt Yannis Kappelmann, Geowissenschaftler am ZMT und Erstautor der Studie. Die Ergebnisse wurden dann mit Daten zum Meeresspiegelverlauf und den klimatischen Verhältnissen über die letzten 10.000 Jahre verglichen.
Das Team stellte zunächst fest, dass sich die Insel in einer ehemaligen Lagune gebildet hat, die von Korallenriffen umsäumt ist. In einem langsamen Prozess, der vor 7.000 Jahren begann, spülten die Wellen Kalksedimente der Riffe in die Lagune und füllten sie auf, bis vor 3.000 Jahren dann die Insel Barrang Lompo entstand. Allerdings verzögerte sich die Auffüllung, als der Meeresspiegel vor rund 5.800 Jahren um 50 cm über dem heutigen Stand anstieg, da daraufhin weniger Sediment in die Lagune gelangte.
Etwa 500 Jahre später sank der Meeresspiegel wieder auf das heutige Niveau. Entgegen der Erwartungen der Forschenden füllte sich die Lagune danach jedoch nur ungewöhnlich langsam mit Sedimenten. Sie führen diese Entdeckung auf die klimatischen Verhältnisse zurück. Das Spermonde Archipel ist ein Monsun-Gebiet, die Stärke der Monsunwinde war über die letzten 10.000 Jahre jedoch nicht immer konstant. Erst als die Monsunwinde stärker wurden, transportierten die Wellen wieder Sediment in die Lagune.
„Oftmals wird der Meeresspiegel als einziger Faktor herangezogen, um die Entwicklung von Koralleninseln zu erklären. Im Fall von Barrang Lompo reichen Meeresspiegelschwankungen jedoch nicht aus,“ sagt Kappelmann. „Wollen wir adäquate Aussagen hinsichtlich zukünftiger Inselentwicklungen treffen, müssen wir klimatische Parameter wie die Windverhältnisse und andere Umweltbedingungen mit hinzuziehen.“ Wenn sich die Monsunverhältnisse also beispielsweise im Zuge des Klimawandels verändern, werden sich wahrscheinlich auch die Koralleninseln verändern.
Im indonesischen Spermonde Archipel leben 50.000 Menschen, auf Barrang Lompo allein 4.600. Studien wie diese können helfen, Zukunftsprognosen für Koralleninseln angesichts der Erderwärmung und des steigenden Meeresspiegels zu verbessern.