Themenabend „Gemeinwohlökonomie“

Christian Felber (2.v.r.) in der Diskussion mit Anka Reich, Rita Ehses, Klaus Gourgé und Günter Grzega (v.l.).

Wir brauchen ein neues Wirtschaftsmodell. Das bestehende schadet mehr als es nutzt. Das sagt Christian Felber. Der Vordenker der Gemeinwohlökonomie war im Rahmen des Studium generale Anfang Mai zu Gast beim „Zukunftsforum“ der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Geislingen (Steige). Der Autor und Aktivist erläuterte sein grundlegendes anderes Verständnis von Wirtschaften und was dem derzeit noch entgegensteht.

Die Dinge vom Kopf auf die Füße stellen. Um nichts Geringeres geht es Christian Felber. Kopf steht aus Sicht des Autors und politischem Aktivisten eine Wirtschaft, die Einzelinteressen dient und der Profitmaximierung, nicht aber dem Wohl aller. Das ist für den Initiator der Gemeinwohlökonomie nur einer von vielen Gründen, grundsätzlich über Alternativen zum derzeitigen „globalisierten Freihandelskapitalismus“ nachzudenken.

Seinen Vortrag an der HfWU in Geislingen hielt er am Earth Overshoot Day. Ab diesem Tag im Jahr werden in Deutschland mehr natürliche Ressourcen verbraucht als wiederhergestellt werden können. Der Tag ab dem Profitmaximierung zur Selbstzerstörung wird. Allein schon diese Übernutzung der planetaren Grenzen mache ein anderes Wirtschaften unabdingbar, so Felber.
Mehr als hundert Interessierte waren vor Ort an die Hochschule und online zum fünften „HfWU Zukunftsforum“ gekommen.

Eingeladen und organisiert hatten die Veranstaltung Prof. Dr. Anka Reich und Prof. Dr. Barbara Kreis-Engelhardt vom HfWU-Studiengang Wirtschaftsrecht und Prof. Dr. Klaus Gourgé vom HfWU-Studienprogramm Zukunftstrends und Nachhaltiges Management.

„Wirtschaft neu denken – vom Ich zum Wir“, lautete der Titel des Forums in diesem Jahr. Neu denken ist Programm für Christian Felber. 2010 initiierte Felber gemeinsam mit mehreren Unternehmern das Projekt Gemeinwohlökonomie (GWÖ). Er gilt als Erfinder der Gemeinwohl-Bilanz. Im Zentrum steht dabei eine ganzheitliche Sicht der Wirtschaft, die Theorie, Handlungsanreize und demokratische Prozesse verbindet. Die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen, wie Bildung, Gesundheit, Chancengleichheit, Teilhabe und eine saubere Umwelt, sollen die vorrangigen Ziele des Wirtschaftens sein. Denn, „das derzeitige Wirtschaftssystem bringt mehr Schaden als Nutzen“, ist der Österreicher überzeugt.

An guten Ideen, das zu ändern, mangele es nicht. Die GWÖ sei nur eine davon.
Einem Systemwandel stünden allerdings die herrschenden Machtverhältnisse entgegen. Daher sein Appell: „Wir müssen die Demokratie verbessern“. Bürgerräte etwa, so habe sich gezeigt, hätten oft ambitioniertere und der Dringlichkeit der ökologischen Lage angemessenere Ziele als die traditionelle Politik.

In den Parlamenten müssten solche Stimmen daher stärker gehört werden

Heute stellen bereits mehr als tausend Unternehmen aus allen Branchen eine Gemeinwohlbilanz auf, auch mehrere Dutzend Städte und Gemeinden und einige Hochschulen. An der HfWU ist Felber seit etlichen Jahren im Beitrat des Studiengangs Zukunftstrends und nachhaltiges Management.
Die Sparda-Bank München gehört zu den ersten Unternehmen, die eine Gemeinwohlbilanz erstellten.

Ihr ehemaliger Vorstandsvorsitzender, Günter Grzega, ergänzte die Ausführungen Felbers aus Sicht eines Praktikers. In der Bank sei der Gemeinwohlvorstoß bald zum Selbstläufer geworden und würde heute von den Mitarbeitenden uneingeschränkt unterstützt und vorangebracht, berichte Grzega. Als weitere Stimme aus der Praxis sprach Rita Ehses von der Geschäftsführung der Novatec Consulting GmbH. Kritisch sieht sie die idealistische Grundhaltung der GWÖ und dass konkrete Handlungsanweisungen sowie eine globale Perspektive fehlten. Gleichwohl unterstrich die Unternehmensberaterin, dass sie die Grundidee der Initiative keineswegs in Frage stelle.