Ertragspotential der Gerste soll besser erschlossen werden

Ziel der IPK-Forscher war es, das Ertragspotential der Gerste besser zu erschließen. T. Schnurbusch IPK Leibniz-Institut

Bei Pflanzen kommt es oft zu einer Degenration von Blatt- und Blütengewebe. Diese Degeneration beginnt bei Getreidepflanzen wie Gerste mit einem Wachstumsstillstand der Ährenspitze. Um die molekularen Grundlagen der Degeneration der Ährenenspitzen während der Vorblüteentwicklung (PTD) aufzuklären, nutzte ein internationales Forschungsteam unter Führung des IPK Leibniz-Instituts verschiedene Ansätze und zeigte, dass die Gersten-PTD zu Zucker- und Aminosäureabbau und einer Abscisinsäure-Reaktionen führt. Zudem identifizierte das Forschungsteam das Gen GRASSY TILLERS1 (HvGT1) als wichtigen Modulator der PTD. 

Gerste besitzt einen nicht determinierten, ährenartigen Blütenstand, der entlang seiner Mittelachse (Rachis) in einem wechselständigen Muster grundlegende Blütenstrukturen bildet, die sogenannten Ährchen. An jedem Sprossknoten der Ähre bilden sich letztlich
drei Ährchen (ein zentrales und zwei seitliche).

Das Ende der Ährchenentwicklung entlang der Spindel markiert dabei das Stadium des maximalen Ertragspotenzials. Anschließend beginnt die Ährenspitze, das sogenannte Meristem, zu kollabieren. Danach degenerieren Ährchenprimordien und Ährchen von der Spitze herunter.

„Wir konnten zeigen, dass bis zu 50 Prozent der Blütenansätze vor der Blüte absterben, was ein ungenutztes Ertragspotenzial darstellt“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch, Leiter der IPK-Forschungsgruppe „Pflanzenarchitektur“. „Das Verständnis der molekularen Grundlagen der Ährenbildung kann daher dazu beitragen, den Kornertrag zu verbessern.“

Aufgrund ihres komplexen Charakters und ihrer Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Umwelteinflüssen ist die PTD ein Mechanismus, der die endgültige Kornzahl entscheidend beeinflusst. Dieser Prozess ist vorhersagbar und erblich. Photosynthese, die Ergrünung der unreifen Ähre sowie der Energiestoffwechsel tragen wesentlich zum Wachstum und zur Differenzierung der basalen und zentralen Teile der Ähre und Ährchen bei. Die Forscher entdeckten nun, dass in der degenerierenden Ährenspitze Zucker- und Aminosäureabbau zusammen mit einer verstärkten Abscisinsäure-Biosynthese und -Signalgebung stattfindet.

„Außerdem haben wir das Transkriptionsfaktorgen, Gerste GRASSY TILLERS1 (HvGT1), als einen Wachstumsrepressor der Ährchenentwicklung identifiziert“, erläutert Nandhakumar Shanmugaraj, Erstautor der Studie. Hvgt1-Mutanten verzögerten den Beginn der PTD und bildeten differenziertere Ährchen an der Ährenspitze aus. Dies führt zu letztlich deutlich mehr fruchtbaren Ährchen/ Blüten. „Erstmals konnten wir die molekularen Grundlagen für das große, nicht genutzte Ertragspotenzial erklären. Unsere Studie liefert aber nicht nur den molekularen Rahmen für Gerste, sondern auch für verwandte Getreidearten des Stammes der Triticeae wie Weizen und Roggen.“

„Wir glauben, dass dies auch zukünftige Arbeiten zur Evolution von verwandten Genen zur Wachstumsunterdrückung in anderen Pflanzen jenseits der Nutzpflanzen anregen wird“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch. Da Gerste zu den wichtigsten Getreidepflanzen der Welt gehört, kann eine bessere Nutzung ihres Ährenertragspotenzials einen Beitrag zur weltweiten Ernährungssicherheit leisten und damit direkt zur Bekämpfung der durch den Klimawandel, Natur- oder Kriegskatastrophen verursachten Hungergefahren beitragen.