Nächsten Montag präsentieren gleich zwei Sachverständigenräte der Bundesregierung Gutachten zu „Umwelt und Gesundheit“. Das ist auch als Aufforderung zu verstehen, bei Entscheidungen über besseren Schutz von Klima und Biodiversität die Gesundheit viel stärker als bisher zu berücksichtigen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) widmet sich dieser Aufgabe bereits seit 2020 und startete im vorigen Jahr die Förderinitiative „Planetary Health“ (planetare Gesundheit) mit derzeit 19 unterstützten Vorhaben in Höhe von rund 2,8 Millionen Euro.
Erste Resultate: Stadtplanung benötigt einen fundamentalen Richtungswechsel, muss sogar „von Straßenecke zu Straßenecke“ für mehr Gesundheits- und Klimaresilienz agieren. Die Hitzebelastung eines Menschen hängt mit sozialen Faktoren zusammen. Und: Die Verpflegung in Gesundheitseinrichtungen ist enorm reformbedürftig.
Bonde: Wir brauchen ein neues strategisches Denken
DBU-Generalsekretär Alexander Bonde kommt zu folgendem Schluss: „Das Thema Gesundheit muss runter von der verbalen Reservebank und eine viel zentralere Rolle beim Umwelt- und Klimaschutz spielen. Denn die Klimakrise ist auch ein medizinischer Ernstfall und macht Menschen krank.“ Es sei zwar ein Fortschritt, dass neben der 2020 vorgelegten Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit etwa auch die Global Health-Strategie der Europäischen Union von 2022 das Thema in den Mittelpunkt rücke ebenso wie erstmals eine Weltklimakonferenz, nämlich 2021 in Glasgow. Bonde: „Das allein reicht aber noch nicht. Wir brauchen neues strategisches Denken – sowohl beim Umgang mit den Folgen von Klima- und Biodiversitätskrise für die Gesundheit als auch bei den Anforderungen an den Gesundheitssektor selbst, der viel nachhaltiger werden muss.“
Akuter Handlungsbedarf bei der Verpflegung in Gesundheitseinrichtungen
Das Gesundheitswesen – einer der größten Arbeitgeber weltweit – ist allein in Deutschland laut Öko-Institut pro Jahr für etwa fünf Prozent des Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase (THG) verantwortlich. Mehr als die Luftfahrt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO beziffert den Anteil an deutschen THG-Emissionen gar mit rund 6,7 Prozent, das sind rund 50 Millionen Tonnen THG. Akuten Handlungsbedarf gibt es unter anderem bei der Verpflegung in deutschen Gesundheitseinrichtungen.
Das ist das vorläufige Ergebnis einer Untersuchung der Berliner Charité, die im Zuge der DBU-Förderinitiative „Planetary Health“ vorgenommen wurde. Studienleiterin Dr. med. Lisa Maria Pörtner sagt, „der Großteil der negativen Umweltauswirkungen“ solcher Verpflegung sei „auf den hohen Konsum tierischer Lebensmittel zurückzuführen“.
Die Ernährung stimme also „in großen Teilen nicht mit den Empfehlungen der Planetary Health Diet“ überein – also einer universellen Referenzkost mit überwiegend pflanzenbasierter Ernährung und in Maßen Milchprodukten, Fisch oder Geflügelfleisch. Ziel ist, Gesundheit von Mensch und Erde gleichermaßen zu schützen sowie eine gesunde und ökologisch nachhaltige Ernährung bis 2050 für dann rund zehn Milliarden Menschen zu sichern. Pörtner zum Charité-Projekt: „Insgesamt zeigt sich schon jetzt ein deutlicher Handlungsbedarf, die Ernährung in deutschen Gesundheitseinrichtungen gesünder und umweltfreundlicher zu gestalten.“
Bei Planetary Health geht es auch um die mentale Gesundheit
Eine sprichwörtlich andere große Baustelle zeichnet sich für die Stadtplanung ab. Diesen Schluss lässt ein DBU-Planetary Health-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig zu. Dabei wurde erforscht, wie Hitzestress – eine der gravierendsten und schon jetzt spürbaren unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels – in Stadtquartieren zu reduzieren ist. Auf den Ernst der Lage weist auch der Hitzeaktionstag heute (Mittwoch) in der Bundesärztekammer hin.
Bonde: „Wie wir wohnen, wirtschaften und uns ernähren, entscheidet über das Wohlergehen sowohl der Welt als auch der Menschen.“ Laut UFZ-Projektleiter Prof. Dr. Uwe Schlink stellen besonders in Stadtgebieten mit sehr heterogener Umwelt Klimawandel-Extreme wie Hitzewellen, Luftschadstoffe, Dürre und Überflutungen die Menschen „vor enorme Herausforderungen“. Dichte Bebauung, Bodenversiegelung, Emissionen und mangelnde Vegetation könnten sich teils schon „von Straßenecke zu Straßenecke“ unterscheiden. Sein Rat: quartiersbezogene Strategien. Als hilfreich könnte sich dabei ein durch das DBU-Projekt entwickeltes Instrument erweisen. Schlink: „Um biophysikalische Faktoren wie Sonneneinstrahlung, Durchlüftung, Verdunstung sowie Wärmespeicherung für jedes Quartier auch quantitativ zu bestimmen, haben wir einen neuen Attributierungs-Algorithmus entwickelt.“
Damit könnten Planungsbüros und Behörden die Ursachen für Hitze gezielt lokal beeinflussen. Es geht dabei keineswegs allein um körperliches Wohlbefinden, sondern laut Schlink „auch um die mentale Gesundheit“. Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Hitzebelastung eines Menschen „mit sozialen Faktoren“ zusammenhänge. Und: Immer mehr Ein-Personen-Haushalte verändern soziale Strukturen; ältere Menschen gehen Schlink zufolge „kaum noch aus der Wohnung“. Einsamkeit ist die Folge. Das zu verhindern, müsse Stadtplanung künftig ebenfalls berücksichtigen.
WBGU-Vorsitzende Pittel: fundamentales Umdenken im Umgang mit Gesundheit
Nächsten Montag stellen der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) und der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ihre Gutachten in Berlin vor. WBGU-Vorsitzende Prof. Dr. Karen Pittel mahnt mit Blick darauf „ein fundamentales Umdenken im Umgang mit Gesundheit“ an. „Die immer spürbareren Auswirkungen des Klimawandels führen die Verletzlichkeit unserer Gesellschaften vor Augen“, so die WBGU-Vorsitzende.