Eine aktuelle Studie zeigt, dass europäische Vögel, die wegen der Klimaerwärmung in kühlere Gebiete ziehen wollen, durch natürliche Hindernisse gebremst werden: Zwei Drittel der europäischen Vogelarten sind in den letzten 30 Jahren in kühlere Gebiete gezogen und leben heute durchschnittlich 100 Kilometer weiter nördlich oder östlich. Grund dafür ist die Klimaerwärmung. Doch auf der Suche nach geeigneten Lebensräumen treffen sie auf natürliche Hindernisse wie Gebirge und Meere. Dies zeigt eine Studie, die eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Forschungsgruppe in der Zeitschrift PNAS (*) veröffentlicht hat.
Natürliche Hindernisse
In dieser Studie wurden beinahe alle europäischen Vogelarten erfasst. Die Forschenden untersuchten die Auswirkungen von grossen Landschaftsbarrieren wie Bergketten und Küsten auf die Wanderbewegungen dieser Vögel in den letzten 30 Jahren. Es zeigte sich, dass diese natürlichen Hindernisse sowohl einen Einfluss darauf hatten, welche Distanzen die Vögel zurücklegten als auch darauf, in welche Richtung sie flogen.
«Innerhalb der Beobachtungszeit bewegten sich die Vögel zum Beispiel weiter weg von ihrem ursprünglichen Lebensraum, wenn sie fernab von Küsten lebten», erklärt Laura Bosco, Forscherin an der Universität Helsinki und Autorin der Studie. Die Forschenden kamen deshalb zum Schluss, dass die Küsten für die Vögel ein ernstzunehmendes Hindernis darstellen. «Wir wussten bereits, dass die Vögel ihren Lebensraum nicht schnell genug verlegen, um sich weiter in den für sie geeigneten Klimabedingungen aufhalten zu können. Jetzt haben wir einen Teil der Erklärung für dieses Phänomen», erklärt Bosco.
Bedrohte Bergvögel
Wichtig sind diese Ergebnisse, um die möglichen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die europäische Vogelwelt besser zu verstehen. Wenn Vögel von natürlichen Hindernissen aufgehalten werden, besteht die Gefahr, dass sie in klimatisch ungünstigen Lebensräumen verbleiben. Gewisse Arten könnten dadurch vom Aussterben bedroht sein.
«Die Vogelwelt in Küstengebieten besteht oft aus seltenen Arten», zeigt sich die Wissenschaftlerin deswegen besorgt.
Aber auch alpine Lebensräume in der Schweiz, wo spezialisierte Arten wie der Schneesperling (Montifringilla nivalis), das Alpenschneehuhn (Lagopus muta) oder der Bergpieper (Anthus spinoletta) zu Hause sind, könnten betroffen sein. Diese Vögel ziehen es nämlich vor, in den ihnen bekannten alpinen Höhenlagen zu bleiben. Die Durchquerung eines tiefer gelegenen Tals kann für sie zum Hindernis werden.
Die europäische Vogelwelt im Scheinwerferlicht
Für seine Untersuchungen konnte das Forschungsteam auf die Unterstützung der Schweizerischen Vogelwarte Sempach zählen. Es nutzte die Daten der Europäischen Brutvogelatlanten der 1980er-Jahre (Datenerhebung zwischen 1981 und 1989) und der 2010er-Jahre (Datenerhebung zwischen 2013 und 2017), an denen die Vogelwarte mitgewirkt hat. Diese Atlanten decken den gesamten europäischen Kontinent und fast alle europäischen Vogelarten ab.