Studie zieht Lehren aus Planungskonflikten um Tesla

@ Anlagen der Firma Prowind, Osnabrück

Ob LNG-Terminal oder Windpark: Die Planung von Infrastrukturprojekten soll nach dem Willen der Bundesregierung beschleunigt werden. Eine Studie zur Ansiedlung von Tesla in Brandenburg zeigt, dass diese Beschleunigung hohe politische Kosten hat, wenn damit ein Abbau der Öffentlichkeitsbeteiligung einhergeht. Vorzeitige Zulassungen, Zeitdruck und Beteiligungsdefizite können das Vertrauen in die Demokratie gefährden. Konflikte spitzen sich zu, weil Erwartungen an eine demokratische Debatte enttäuscht, die Ergebnisoffenheit von Verfahren angezweifelt und Misstrauen verstärkt werden. Als Alternative schlägt die Studie vor, das Personal in den Behörden aufzustocken, Konflikte frühzeitig und offen zu kommunizieren und die Beteiligung in Planungsverfahren transparenter zu gestalten.

Macht-Konflikte statt Sachkonflikte

Ein Forschungsprojekt des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner hat die vielfältigen Planungskonflikte um die Ansiedlung der Tesla-Gigafactory in Grünheide/Brandenburg untersucht. Es zeigt sich, dass der hohe Zeitdruck von Investor und Land, die Defizite bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und die intransparente Kommunikation von Tesla dazu beitrugen, die Konflikte zu verschärfen. Streitfragen in der Sache, wie beispielsweise der Trinkwasserschutz, wurden dabei überlagert von Verfahrenskonflikten.

„Planungsverfahren sollen Projekte ergebnisoffen prüfen. Diese Verfahren haben aber gerade die Projektgegner nicht als ergebnisoffen wahrgenommen. Die Auseinandersetzung wurde als Machtkonflikt, nicht als Sachkonflikt interpretiert“, sagt Planungsforscher und Projektleiter Dr. Manfred Kühn vom IRS. So sei Misstrauen gegenüber den verantwortlichen Behörden und letztlich der Demokratie verstärkt worden.

Ein Höhepunkt der formellen Öffentlichkeitsbeteiligung war die achttägige Erörterung der Einwände gegen das Projekt in der Stadthalle Erkner im September 2020. „Teilnehmende haben die Veranstaltung wegen der hohen Emotionalität als ‚kleinen Volksaufstand‘ und ‚Showdown‘ beschrieben“, so Kühn. Erörterungstermine sind bisher die einzige Arena, um Konflikte zwischen Projektträgern und Gegnern öffentlich auszutragen. Allerdings sei den Beteiligten in Erkner unklar gewesen, ob der Termin wirklich einer demokratischen Auseinandersetzung dienen sollte oder nur der Informationssammlung der Behörden. Das habe zu Enttäuschung geführt, so die Studie. Als Reaktion darauf wird von den Gegnern ein Ausbau der demokratischen Beteiligung, von den Verfahrensträgern dagegen die Abschaffung von Erörterungsterminen in Genehmigungsverfahren gefordert.

Nicht zur Nachahmung empfohlen

„Das Vorgehen im Fall Tesla – besonders die vorzeitigen Zulassungen – wird nicht zur Nachahmung empfohlen“, sagt Planungsforscher Manfred Kühn. Die Studie macht einige Vorschläge für zügige und zugleich demokratieverträglichere Planungsverfahren.

Auch bei politisch erwünschten Projekten sollen demnach die Standortalternativen ergebnisoffen diskutiert werden. Konflikte sollen frühzeitig in öffentlichen Arenen mit klar definierten Regeln der Beteiligung ausgetragen werden. Der jeweilige Grad der Ergebnisoffenheit und die Stufe der Öffentlichkeitsbeteiligung soll im gesamten Prozess transparent kommuniziert werden. Schließlich, so die Studie, gerieten Planungsbehörden zunehmend in die Rolle von Konfliktmanagern und benötigten dafür mehr qualifiziertes Personal
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Die Forschungen wurden im Rahmen des IRS-Leitprojekts „Konflikte in der Planung: Großprojekte und ihr Potenzial zum institutionellen Wandel“ durchgeführt. Die hier vorgestellten Ergebnisse wurden am 19. Juni 2023 in der Fachzeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ veröffentlicht.

Das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner fokussiert sich auf die Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Veränderungen und der Transformation von Räumen. Das Institut berät Akteure aus Politik und Zivilgesellschaft, um die zukunftsfähige Entwicklung von Dörfern, Städten und Regionen zu fördern und sozialräumliche Ungleichheit zu lindern. Dafür arbeiten über 50 Forschende aus den Fachdisziplinen der Wirtschafts- und Sozialgeographie, Politikwissenschaft, Soziologie, Planungswissenschaft, Geschichtswissenschaft sowie der Kunst- und Architekturgeschichte als interdisziplinäres Team zusammen.