Organische Elektronik kann entscheidend zur Dekarbonisierung beitragen und zugleich seltene und wertvolle Rohstoffe einsparen helfen. Dafür ist es notwendig, nicht nur die Herstellungsverfahren weiterzuentwickeln, sondern bereits im Labor technische Lösungen für das Recycling zu planen. Für diese Kreislaufstrategie werben Materialwissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gemeinsam mit britischen und US-amerikanischen Forscherkollegen im renommierten Fachjournal „Nature Materials”.*
Organische Elektronikbauteile, beispielsweise Solarmodule, haben gleich mehrere herausragende Eigenschaften: Sie können in hauchdünnen Schichten auf biegsame Trägermaterialien aufgebracht werden und besitzen dadurch ein breiteres Einsatzspektrum als kristalline Materialien. Da ihre photoaktiven Substanzen kohlenstoffbasiert sind, tragen sie zugleich dazu bei, auf seltene, teure und zum Teil toxische Rohstoffe wie Iridium, Platin oder Silber zu verzichten.
Besonders im Bereich der OLED-Technologie, vor allem bei TV- oder Computerbildschirmen, erzielt die organische Elektronik enorme Zuwachsraten. „Das ist einerseits ein Fortschritt, birgt andererseits aber auch Probleme“, sagt Prof. Dr. Christoph Brabec, Inhaber des Lehrstuhls für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie) der FAU und Direktor des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg (HI ERN).
Der Materialforscher sieht die Gefahr, dass eine ökologisch sinnvolle Technologie wie die organische Elektronik dauerhaft in eine Gerätearchitektur eingebunden wird, die insgesamt nicht nachhaltig ist. Das betreffe nicht nur Elektrogeräte, sondern beispielsweise auch organische Sensoren in Textilien, die eine extrem geringe Lebensdauer haben. Brabec: „Gerade die angewandte Forschung muss jetzt die Weichen dafür stellen, dass elektronische Bauteile in allen Einzelkomponenten und über den gesamten Lebenszyklus hinweg einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.“
Effizientere Syntheseverfahren und robustere Materialien
Ein elementarer Beitrag dazu ist die Weiterentwicklung der organischen Elektronik selbst: Durch neue Materialien und effizientere Herstellungsverfahren lassen sich Produktionsaufwand und Energieeinsatz reduzieren. „Im Vergleich zur Synthese einfacher Polymere ist die Herstellung der photoaktiven Schicht um ein Vielfaches energieintensiver, weil sie bei hoher Temperatur im Vakuum aufgedampft wird“, erklärt Brabec.
Die Forscher schlagen deshalb vor, günstigere und umweltfreundlichere Syntheseprozesse zu etablieren – zum Beispiel die Abscheidung aus Wasserlösungen und den Druck im Tintenstrahlverfahren. Brabec: „Eine große Herausforderung dabei ist, funktionelle Materialien zu entwickeln, die ohne toxische und umweltschädliche Lösemittel verarbeitet werden können.“ Im Falle von OLED-Displays bietet der Tintenstrahldruck zugleich die Chance, Edelmetalle wie Iridium und Platin durch organische Materialien zu ersetzen.
Neben ihrer Effizienz ist auch die Betriebsstabilität der Materialien entscheidend: Um die aufgedampften Kohlenstoffschichten organischer Solarmodule vor Umwelteinflüssen zu schützen, ist eine aufwändige Verkapselung notwendig, die bis zu zwei Drittel des Gesamtgewichtes ausmacht. Resistentere Werkstoffkombinationen könnten hier zu einer signifikanten Material-, Gewichts- und Energieersparnis beitragen.
Recycling bereits im Labor planen
Um den ökologischen Fußabdruck der organischen Elektronik realistisch bewerten zu können, müsse man den gesamten Produktlebenszyklus im Blick haben. Betrachtet man die reinen Leistungsdaten, liegt die organische Photovoltaik noch immer hinter konventionellen Siliziummodulen zurück – bei ihrer Herstellung wird jedoch dreimal weniger CO2 emittiert. Das Streben nach dem maximalen Wirkungsgrad sei nicht alles, sagt Brabec: „18 Prozent können ökologisch sinnvoller sein als 20, wenn sich das photoaktive Material in nur fünf statt in acht Syntheseschritten herstellen lässt.“
Auch die geringere Lebensdauer organischer Module relativiert sich bei genauerer Betrachtung: Photovoltaik-Module auf Siliziumbasis halten zwar länger, lassen sich jedoch kaum recyceln. „Biokompatibilität und biologische Abbaubarkeit werden zunehmend wichtige Kriterien sowohl für die Produktentwicklung als auch für das Verpackungsdesign“, sagt Christoph Brabec. „Wir müssen damit beginnen, das Recycling bereits im Labor zu berücksichtigen.“
Das bedeutet beispielsweise, Substrate zu verwenden, die entweder gut zu verwerten oder aber so leicht abbaubar sind wie die aktiven Substanzen. Mit sogenannten Multilayer-Designs könne schon bei der Konstruktion dafür gesorgt werden, dass sich verschiedene Materialien am Ende ihres Produktlebens leicht voneinander trennen und recyceln lassen. Brabec: „Dieser Cradle-to-Cradle-Ansatz wird eine entscheidende Voraussetzung dafür sein, organische Elektronik als wichtigen Baustein der Energiewende zu etablieren.“