Kühlen und Heizen sind angesichts von Klimawandel und Energieknappheit zentrale Zukunftsthemen. Egal, ob es darum geht, Lebensmittel oder technische Geräte zu kühlen, den Kühlbedarf der Industrie und einer steigenden Zahl an Rechenzentren zu decken oder für angenehme Temperaturen in Räumen zu sorgen: Mit herkömmlichen Kühl- und Heizmethoden verbraucht dies alles enorm viel Energie und belastet das Klima und die Umwelt durch Treibhausgase und klimaschädliche Kältemittel.
Die Elastokalorik, deren Prinzip darauf beruht, dass Formgedächtnisdrähte gezogen und wieder entlastet werden, bietet eine klimaschonendere Kühl- und Heiztechnologie. Das US-Energieministerium wie auch die EU-Kommission deklarierten die Elastokalorik bereits als zukunftsträchtigste Alternative zu bisherigen Verfahren.
„Die Elastokalorik hat eine signifikant hohe Energieeffizienz: Sie ist weit effizienter als die heute üblichen Klimatechniken“, sagt Professor Stefan Seelecke.
Er ist einer der Pioniere dieser Technologie. Sein Forschungsteam entwickelte bereits den weltweit ersten kontinuierlich laufenden Kühl- und Heizdemonstrator, der aufzeigt, wie Elastokalorik Luft kühlen und erwärmen kann. „Wir transportieren Wärme, indem wir Drähte aus Nickel-Titan belasten und entlasten. Das Formgedächtnismaterial gibt Wärme ab, wenn es im sogenannten superelastischen Zustand gezogen wird, und nimmt Wärme auf, wenn es entlastet wird. Wir erreichen so Temperaturdifferenzen von rund 40 Grad“, erklärt Stefan Seelecke.
Mit einer entsprechenden Apparatur kann damit einem Raum Wärme entzogen oder zugeführt werden. Die Saarbrücker Technologie erreicht bereits mehr als das Zehnfache an Wirkungsgrad im Vergleich zu heutigen Wärmepumpen und Kühlschränken. In mehreren mit Forschungsgeldern in Millionenhöhe geförderten Forschungsprojekten, wie im Projekt DEPART!Saar, bei dem das Bundesforschungsministerium mehr als 17 Millionen Euro investiert, entwickeln die Forscherinnen und Forscher mit Partnern ihre Technologie weiter, um die Effizienz zu steigern und sie marktreif und breit einsetzbar zu machen.
„Wir wollen das Innovationspotenzial der Elastokalorik in verschiedenste Anwendungsgebiete tragen, etwa in die Industriekühlung, auch in die E-Mobilität zur Kühlung in Elektrofahrzeugen oder den Haushaltsgerätesektor. Hierfür ist es wichtig, dass wir uns mit Arbeitsgruppen in aller Welt vernetzen. Daher veranstalten wir eine Konferenz, bei der wir alle Akteure zusammenbringen“, erläutert Professor Paul Motzki, der mit „Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ eine Brückenprofessur zwischen der Universität des Saarlandes und dem ZeMA innehat.
Zur ersten Elastokalorik-Konferenz reisen die führenden Forschungsteams aus aller Welt an, die aus verschiedenen Perspektiven an der Elastokalorik arbeiten: darunter Forscherinnen und Forscher, die sich aus materialwissenschaftlicher Sicht mit der Zusammensetzung der Formgedächtnislegierung befassen und diese weiterentwickeln, solche, die die technologische Seite bearbeiten bis hin zu Teams, die sich mit der Umsetzung der Technik in die Praxis befassen. Auch Vertreterinnen und Vertreter der Forschungsabteilungen international tätiger Unternehmen zählen zu den insgesamt rund 100 Teilnehmenden der ersten Elastokalorik-Konferenz.
„Unser Ziel ist es, einen Überblick über den aktuellen Stand der internationalen Forschung zu geben und die wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft zu definieren“, erläutert Paul Motzki. „Wir wollen die Forschungscommunity auf diesem noch recht neuen Forschungsgebiet zusammenbringen, sie auch direkt mit Blick auf praktische Umsetzung mit Unternehmen vernetzen und eine internationale Fachgesellschaft gründen“, sagt Stefan Seelecke. Die „International Elastocaloric Society“ wird von Saarbrücken aus aufgebaut werden.
„Am Beispiel der Elastokalorik wird der Transfer von Wissen in die Anwendung – dem Hauptziel unserer Innovationsstrategie – konkret greifbar. Diese Konferenz ist ein wichtiger Gewinn für unser Land, denn sie richtet den Blick der weltweiten Fachcommunity aus Forschung und Wirtschaft auf unseren Standort und den Hotspot, der hier entsteht“, betont der saarländische Wirtschafts- und Innovationsminister Jürgen Barke.
„Die Elastokalorik zeigt das enorme Innovationspotenzial der exzellenten Forschung an der Schnittstelle der Ingenieur- und Materialwissenschaften der Universität des Saarlandes. Von hier gehen richtungweisende Beiträge zu einer Technologie aus, die künftig maßgeblich zum Klimaschutz beitragen kann. Mit der neuen Fachgesellschaft auf diesem wichtigen Forschungsfeld entsteht aus dem Saarland heraus ein internationales Netzwerk, das die Expertisen von Forschungsteams aus aller Welt bündelt, um dieses Ziel zu erreichen“, sagt der Präsident der Universität des Saarlandes, Professor Manfred Schmitt.