Eine winzige Mutation im Erbgut von Gerste sorgt dafür, dass sich die Pflanze schneller entwickelt und damit eher blüht als eine etablierte Gerstensorte. Gleichzeitig bleibt der Ertrag dieser Pflanzen gleich, wie ein Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im „Journal of Experimental Botany“ berichtet. Das ist den Forschenden zufolge von Vorteil, weil die Pflanzen so womöglich besser an die Folgen des Klimawandels angepasst sind und weiter stabile Ernten liefern könnten.
Pflanzen haben ihre Entwicklung im Laufe von mehreren Millionen Jahren an die jeweilige Umgebung angepasst. Die globale Erwärmung läuft jedoch deutlich schneller ab und so haben Pflanzen nur wenig Möglichkeiten, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. „Die genetische Vielfalt aktueller Gerstensorten ist begrenzt, sodass nur eine bedingte Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen im Zuge des Klimawandels vorhanden ist“, sagt der Studienleiter Dr. Andreas Maurer vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU. Die Forschenden suchten deshalb nach Möglichkeiten, Kulturpflanzen künftig besser an diese neuen Bedingungen anzupassen.
Fündig wurden sie bei dem Gen EARLY FLOWERING3 (ELF3), von dem bereits bekannt war, dass es eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Pflanzen spielt: ELF3 ist ein essenzieller Bestandteil der sogenannten zirkadianen Uhr von Pflanzen. Dabei handelt es sich um ein ganzes Netzwerk aus Genen und Proteinen, die in Pflanzen verschiedene Prozesse steuern, um beispielsweise auf den Tag-Nacht-Rhythmus und die Jahreszeiten reagieren zu können.
Im Rahmen umfangreicher Feldversuche und Gewächshausexperimente untersuchte das Team verschiedene natürlich vorkommende Varianten des ELF3-Gens bei sonst genetisch nahezu identischen Pflanzen, die aus der Kreuzung von einer etablierten Gerstensorte (Barke) mit verschiedenen Wildgersten entstanden sind. Hierbei entdeckten die Forschenden eine Variante mit besonderen Eigenschaften: Obwohl sich ihr genetischer Bauplan nur an einer einzigen Stelle von der etablierten ELF3-Variante unterschied, entwickelten sich die jeweiligen Pflanzen deutlich schneller.
Im Vergleich zu Pflanzen mit der etablierten ELF3-Variante blühten diese Pflanzen im Gewächshausversuch bis zu 18 Tage und im Feld bis zu vier Tage früher. Je nach Witterung können diese vier Tage für den Ertrag von großer Bedeutung sein, da die Pflanze so wichtige Stadien vor möglichen Schadereignissen abschließen kann. „Häufig geht das Einkreuzen von natürlichen Variationen der Wildgerste mit einem Ertragsverlust einher. Bemerkenswerterweise konnten wir dies in unserer Studie nicht feststellen“, so Maurer weiter. Die Erträge der Gersten mit der besonderen natürlichen ELF3-Variante blieben also gleich.
Die Erkenntnisse der Studie könnten dabei helfen, neue klimaresiliente Gersten zu erzeugen. „Durch Einkreuzung der von uns gefundenen natürlichen Variante könnte Gerste vor einer Trockenperiode blühen und so einen höheren Ertrag liefern als später blühende Sorten. Solche Anpassungen sind notwendig, um die Welternährung trotz globaler Erwärmung zu gewährleisten“, sagt die Agrar- und Ernährungswissenschaftlerin Tanja Zahn, die an der MLU promoviert wird.