Riesige Waldbrände in Kanada haben Millionen von Hektar Wald vernichtet, mehr als 100 000 Einwohner vertrieben und die Luftqualität von Millionen Menschen in Nordamerika beeinträchtigt. Die Spuren dieses ökologischen Desasters sind auch in der Atmosphäre über Deutschland zu spüren: Seit Mitte Mai registrieren Forschende des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) regelmäßig dünne Rauchschichten in Höhen zwischen 3 und 12 Kilometern Höhe über Leipzig. Der Nachweis, dass es sich bei den Partikeln um Rauch aus Waldbränden handelt, wurde durch eine neue Technik möglich:
Rauchpartikel sind biologischen Ursprungs und leuchten, wenn sie mit UV-Licht eines Lasers angestrahlt werden. Durch können sie eindeutig von anderen Teilchen wie Vulkanpartikeln oder Saharastaub unterschieden werden. Der Ursprung der Rauchschichten konnte anhand der Luftströmungen bis nach Nordamerika zurückverfolgt werden.
„Es ist beeindruckend und beängstigend zu gleich, zu sehen, welche Dimensionen diese Waldbrände inzwischen erreicht haben: Wenn in Kanada und den USA wochenlang Wäldern brennen, dann leiden nicht nur die Menschen dort unter dieser Katastrophe. Auch die Atmosphäre über Europa wird beeinflusst: In den hohen, normalerweise wolkenfreien Luftschichten scheinen sich durch die Rauchpartikel dünne Schleierwolken zu bilden“, berichtet Benedikt Gast vom TROPOS, der die aktuellen Messungen im Rahmen einer Doktorarbeit betreut und auswertet.
Im Gegensatz zu Nordamerika, wo im Juni unter anderen die Millionenmetropolen der Ostküste tagelang unter einer Rauchglocke lagen und Feinstaubalarm herrschte, stellt der Rauch aus Nordamerika in Europa zur Zeit keine Gesundheitsgefahr dar. Der Rauch schwebt in großen Höhen und ist inzwischen stark verdünnt. Aber er beeinflusst die Atmosphäre und das Klima: Zum einen wird die Sonnenstrahlung an den Partikeln gestreut und das Licht so leicht gedimmt. Ähnlich wie bei Saharastaub kann der Himmel ebenfalls leicht getrübt aussehen.
Außerdem könnte der Rauch die Wolkenbildung in höheren Schichten der Atmosphäre beeinflussen. Zumindest deuten jüngste Forschungsergebnisse darauf hin: Während der MOSAiC-Expedition in der Arktis 2020 konnten TROPOS-Forschende ungewöhnlich viel Rauch in der Atmosphäre um den Nordpol messen und die Bildung von Zirruswolken beobachten. Eine aktuelle Studie aus Zypern zeigt, dass Rauchpartikel unter bestimmten Voraussetzungen als Nukleationskeime für die Bildung von Eiskristallen wirken können.
Dazu hatten die Forschenden des Eratosthenes Centre of Excellence, der Cyprus University of Technology und des TROPOS Daten aus Limassol vom Herbst 2020 ausgewertet als der Rauch starker Waldbrände aus Nordamerika bis ans Mittelmeer von Portugal bis nach Zypern transportiert wurde. Die Messungen damals lieferten deutliche Hinweise, dass gealterte Rauchpartikel bei rund -50°C die Eisbildung am Übergang zwischen der feuchten Troposphäre und der trockenen Stratosphäre auslösten und so zur Bildung von Eiswolken führten.
„Auch unsere aktuellen Beobachtungen über Leipzig zeigen Hinweise auf einen solchen Zusammenhang. Bei mehreren Messungen in den letzten Wochen konnten wir in 10-12 km Höhe sowohl Rauchschichten als auch an deren Unterkante und/oder direkt darunter Eiswolken (sogenannte Zirren) beobachten. Solche Rauch-Schichten in starker Präsenz von Zirruswolken wurden nicht nur in Leipzig, sondern auch an verschiedenen Stationen in Europa beobachtet: Von Südwesten in Evora (Portugal), über Warschau (Polen) bis Kuopio (Finnland) im Nordosten. Sollte der Rauch für mehr Wolken sorgen, könnte dies einen neuen Wirkungspfad für Klimaveränderungen bedeuten. Da Wolken, je nach ihren optischen Dicken und anderen Eigenschaften, eine kühlende oder wärmende Wirkung haben können, könnten sich somit häufigere und stärkere Waldbrände entsprechend auf den atmosphärischen Strahlungshaushalt auswirken. Dieses Potential motiviert uns, dieses Zusammenspiel von Waldbrandrauch und Wolkenbildung weiter zu untersuchen“, sagt Benedikt Gast vom TROPOS.
Durch den Klimawandel nehmen Anzahl und Intensität von Waldbränden zu und damit auch die Mengen an Aerosol, die bei der Verbrennung von Biomasse in die Atmosphäre freigesetzt werden. Diese Aerosolpartikel können nicht nur in der Troposphäre verteilt werden, sondern sogar die darüber gelegene Stratosphäre erreichen und den Strahlungshaushalt der Erde sowie die Wolkenbedeckung über lange Zeiträume und große Gebiete hinweg beeinflussen.
„Seit Beginn der Waldbrandsaison 2023 auf der Nordhalbkugel haben wir Rauch in fast jeder Schicht der Atmosphäre gesehen, auch in der unteren Stratosphäre. Aus Sicht der Atmosphärenforschung ist das ein beunruhigender Trend: Die Klimaerwärmung scheint nicht nur dafür zu sorgen, dass die großen Wälder am Rande des Polarkreises immer häufiger und stärker brennen. Sie verändert auch unsere Atmosphäre signifikant und beeinflusst wiederum das Klima. Dazu kommt, dass vieles dafür spricht, dass der Rauch auch die Ozonschicht angreift und damit ein Gesundheitsrisiko für Millionen Menschen darstellt“, erklärt Dr. Albert Ansmann vom TROPOS.
Um die Auswirkungen von Aerosolen auf das Klima vollständig zu verstehen und zu quantifizieren, ist eine genaue Aerosoltypisierung von entscheidender Bedeutung. Multiwellenlängen-Polarisations-Lidare, wie sie TROPOS an verschiedenen Standorten betreibt, sind dabei sehr leistungsfähige Instrumente zur Erkennung und Klassifizierung von Aerosol mit Parametern wie dem Lidarverhältnis, dem Depolarisationsverhältnis und dem Ångström-Exponenten. Allerdings war es bisher schwierig, stratosphärischen Rauch von vulkanischem Sulfataerosol zu unterscheiden.
Jüngste Studien haben gezeigt, dass die Fluoreszenzlidar-Technik ein großes Potential zur Verbesserung der Aerosolklassifizierung hat, weil damit ein weiterer Parameter zur Verfügung steht – die so genannte Fluoreszenzkapazität (Verhältnis von Fluoreszenz-Rückstreuung zu elastischen Rückstreukoeffizienten). Die Forschenden haben deshalb ihren großen, stationären Atmosphärenlaser am TROPOS in Leipzig erweitert: Das „Multiwavelength Atmospheric Raman Lidar for Temperature, Humidity, and Aerosol Profiling“ (MARTHA) erhielt im August 2022 einen zusätzlichen Empfangskanal, der die Fluoreszenz-Rückstreuung im Spektralbereich von 444 – 488 Nanometer messen kann.
Die Erfahrung mit der neuen Technik zeigt, dass das Fluoreszenzlidar nicht nur großes Potential für die Aerosoltypisierung hat, sondern auch, um Rauchschichten überhaupt zu finden. „Da der neue Kanal nur sensitiv für Partikelstreuung ist, ist er perfekt geeignet für Aerosol-Profiling. Das haben mehrere Fälle bereits bewiesen. Fluoreszenz ist wie ein Fernglas für das Lidar“, berichtet Dr. Cristofer Jimenez vom TROPOS. „Besonders bei niedrigen Aerosol-Konzentrationen kann ein Fluoreszenzlidar interessante und ganz neue Ergebnisse ermöglichen. Von dieser Technik ist noch viel zu erwarten.”
Ein leistungsstärkerer Laser, mit dem auch noch höhere Schichten der Atmosphäre und geringere Konzentrationen untersucht werden können, soll in den nächsten Monaten folgen. Sowohl die Station in Leipzig als auch die in Limassol gehören zu PollyNet, einem Netzwerk von Lidaren, die mit Laserstrahlen die Atmosphäre vom Boden aus erforschen. Es ist Teil der Europäischen Forschungsinfrastruktur ACTRIS, die Aerosole, Wolken und Spurengase untersucht.